Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Sandläuse der Ostfriesischen Inseln

(Psammorrhyncha)

Zusammenfassung

Im Jahr 2004 wurde auf der ostfriesischen Insel Norderney erstmalig die Gemeine Sandlaus (Psammosuga sabulosa Meier, 1874) aus der Insektenfamilie Psammorrhyncha nachgewiesen. Die aus der Karibik eingeschleppte Art hat sich mittlerweise auf allen Ostfriesischen Inseln im Sandlückensystem der Strandbereiche etabliert. Stellenweise kommt es bereits zu Massenentwicklungen.

Summary

The sand lice of the East Frisian islands (Psammorrhyncha). - The sand louse (Psammosuga sabulosa Meier, 1874), belonging to the insect family Psammorrhyncha, was recorded from the East Frisian islands only recently, initially from Norderney Island in 2004. Originally introduced from the Caribbean, this species has become a common member of the beach interstitial fauna throughout the East Frisian archipelago.

Was sind... Sandläuse?

Die Familie der Sandläuse (Psammorrhyncha) war bislang nur aus dem mittelamerikanischen und karibischen Raum bekannt. Beschrieben sind 14 Taxa, die allesamt im Sandlückensystem tropischer Strände vorkommen (MILLER 1974). Insofern war ihre erstmalige Entdeckung an einem 8.000 km entfernten Sandstrand der Nordsee im Jahr 2004 eine kleine zoologische Sensation. Sandläuse als Verwandte der Steinläuse (Petrophaga) sind nicht zu verwechseln mit Sandflöhen (Siphonaptera, Tungidae), die ebenfalls an tropischen Stränden vorkommen und als lästige Parasiten in Erscheinung treten. Sandläuse sind für den Menschen völlig ungefährlich.

Über die Lebensweise der Sandläuse ist relativ wenig bekannt: Es handelt sich um hemimetabole Insekten mit wahrscheinlich 5 Larvenstadien. Im annähernd gleichtemperierten tropischen Klima treten alle Generationsstadien ganzjährig auf. Inwieweit in Mitteleuropa eine Änderung des Generationszyklus als Anpassung an die klimatischen Verhältnisse erfolgt ist, wird zur Zeit im Rahmen eines Forschungsprojektes geklärt. Sandläuse vermehren sich nach bisheriger Kenntnis ausschließlich geschlechtlich: Beobachtungen im Terrarium ergaben, dass Männchen und Weibchen eine Art Balztanz vollführen, wobei sie Ihre Rüssel aneinanderpressen. Mittels Unterdruck saugen sie sich aneinander fest und verharren stundenlang in dieser Position. Der Beobachtung einer Kopulation konnten sich die Paare bislang erfolgreich entziehen. Die Eier werden (im Terrarium) als Paket abgelegt und vom Männchen bewacht. Die geschlüpften Larven werden vom Weibchen mehrere Wochen auf dem Rücken getragen, bis sie das 4. Larvenstadium erreicht haben.

Sandläuse leben ausschließlich im lückigen System sowohl fein- als auch grobsandiger mariner Strandbereiche. Mithilfe eines speziellen Horns auf der Kopfoberseite durchwühlen sie den Sand, wobei offensichtlich auch ihr Rüssel eingesetzt wird, mit dem dann der Sand weggeblasen werden kann (Prinzip "Sandstrahlgebläse"). Der Rüssel dient außerdem zur Nahrungsaufnahme, wobei die Hauptnahrung, zersetztes organisches Material, gezielt eingesaugt und anschließend durch speziell umgewandelte Mandibeln zerkleinert wird.

Einleitung

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Die bis maximal zwei Millimeter große Gemeine Sandlaus, Psammosuga sabulosa, lebt im Sandlückensystem der Land-Meer-Übergangszone, wo sie mithilfe ihres Rüssels zersetzte organische Partikel aufsaugt (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

Bei Untersuchungen des Sandlückensystems am Oststrand der Insel Norderney wurde im Jahr 2004 eine bis zu diesem Zeitpunkt für die deutsche Nordseeküste unbekannte Tierart entdeckt (SANDNER 2004a). Nachforschungen ergaben, dass es sich hierbei um die gemeine Sandlaus (Psammosuga sabulosa Meier, 1874) aus der Familie der gleichnamigen Sandläuse (Psammorrhyncha) handelt (SANDNER 2004b, vgl. MILLER 1974). Vertreter dieser bislang nur aus der Karibik bekannten Gruppe sind wahrscheinlich mit der Familie der Steinläuse (Petrophaga) verwandt.

Untersuchungsergebnisse

Die im Anschluss an den erstmaligen Nachweis auf Norderney im Jahr 2004 durchgeführten faunistischen und ökologischen Untersuchungen in den Strandbereichen und den Dünenbereichen verschiedener Ostfriesischer Inseln erbrachten erstaunliche aber auch besorgniserregende Erkenntnisse.

Die gemeine Sandlaus ist an der niedersächsischen Nordseeküste weiter verbreitet als zunächst vermutet (SANDNER 2005a-b, 2006a-f). Umfangreiche Beprobungen ergaben, dass sie sich im Sandlückensystem der Strände aller Ostfriesischen Inseln erfolgreich etabliert hat. Die ersten Exemplare dürften von Karibik-Urlaubern, die ihren nächsten Strandurlaub offensichtlich lieber auf einer Nordseeinsel verbringen wollten, eingeschleppt worden sein. Wann genau und auf welcher Ostfriesischen Insel die Erstbesiedlung stattgefunden hat, dürfte nicht mehr zu klären sein.

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Sandlaus-Männchen (links) und Sandlaus-Weibchen (rechts) vollführen eine Art Balztanz, indem sie Ihre Rüssel aneinanderpressen und sich so aneinander festsaugen. In dieser Position verharren sie oft stundenlang (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

Im Unterschied zu den karibischen Populationen werden auf den Ostfriesischen Inseln auch höher gelegene Dünenabschnitte bis in die Weißdüne hinein besiedelt. Erste Untersuchungen, deren Ergebnisse allerdings noch erhärtet werden müssen, lassen vermuten, dass die in den letzten Jahren auf einigen Ostfriesischen Inseln stellenweise aufgetretenen massiven Dünenabbrüche hoher Weißdünen auf die Grab- und Wühltätigkeiten der Sandläuse zurückzuführen sein könnten. Seit 2007 werden im Rahmen einer Pilotstudie erste Maßnahmen zur Bekämpfung der Sandlaus-Populationen getestet (SANDNER 2007a, b).

An den Stränden ihrer ursprünglichen Heimat in der Karibik bislang nicht festgestellt, an der Nordsee aber immer häufiger gefunden sind sog. Sandburgen; es handelt sich dabei um kleinere bis z.T. mehrere Quadratmeter umfassende Sandanhäufungen, die von den Sandläusen offensichtlich als Eiablageorte angelegt werden. Dies scheint eine Anpassung an die zum Teil ungünstigen klimatischen Verhältnisse an der Nordsee zu sein.

Basierend auf einem Artikel von:

Dr. Klaus Sandner

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Stand: 02/2009