Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Binnenmollusken
der Ostfriesischen Inseln

(Mollusca: Gastropoda, Bivalvia)

Zusammenfassung

Die kritische Auswertung der historischen und aktuellen Daten zur Binnenmolluskenfauna der Ostfriesischen Inseln erbrachte 73 Arten, von denen 64 zum aktuellen Bestand zu zählen sind. Die 39 Landschnecken, 19 Süßwasserschnecken und 6 Süßwassermuscheln entsprechen jeweiligen Anteilen am deutschen Inventar von etwa 17 %, 33 % bzw. 16 %.
Insgesamt bieten die Ostfriesischen Inseln 20 bundes- und/oder landesweit gefährdeten bzw. vom Aussterben bedrohten Binnenmollusken Lebensraum. Unter Einbeziehung der bundesweit auf der Vorwarnliste stehenden Arten kann fast die Hälfte des Inselinventars der Binnenmollusken als schützenswert gelten. Dies rechtfertigt den hohen Schutzstatus des Gebietes als Nationalpark zumindest für diese Tiergruppe.
Vor allem im Hinblick auf die Landschneckenfauna, die lediglich von Baltrum gezielt untersucht wurde, ist von erheblichen Erfassungsdefiziten auszugehen. Auch die Kenntnis über Habitatpräferenzen der einzelnen Arten auf den Inseln muss als lückenhaft angesehen werden.

Summary

The inland molluscs of the East Frisian islands (Mollusca: Gastropoda, Bivalvia). - A critical survey of the historical and cur-rent records of inland molluscs from the East Frisian islands yielded a total of 73 species, 64 of which are considered to be currently occurring on the islands. These include 39 species of land snails and slugs, 19 species of freshwater snails and 6 species of freshwater mussles. Proportional representations of these groups are 17 %, 33 % and 16 %, respectively, which corresponds to the general composition of the mollusc fauna within Germany.
The East Frisian islands provide habitat for a total of 20 species of inland molluscs that are listed as endangered or threatened with extinction in Germany or Lower Saxony. Adding the species listed as "potentially endangered or threatened", more than half of the islands' species may be considered to be in need of legal protection, which underscores that the chain of islands were rightly awarded the top protection status of National Park. Particularly with respect to the fauna of land snails and slugs the islands remain seriously undercollected with the notable exception of Baltrum. Moreover, knowledge of the species' habitat preferences and associations is scarce.

Was sind... Binnenmollusken?

Dem Tierstamm der Weichtiere (Mollusca) werden derzeit etwa 135.000 bekannte Arten zugerechnet, deren gemeinsames Merkmal der nur wenig gegliederte, weichhäutige, schleimige Tierkörper ist. Die Schnecken (Gastropoda) und Muscheln (Bivalvia) sind die zwei artenreichsten und ökologisch vielfältigsten der acht Weichtier-Klassen.

Schnecken lassen sich nach traditioneller Einteilung in Vorderkiemer (Atmung durch Kiemen, Gehäuseverschluss durch Deckel) und Lungenschnecken gliedern. Die meisten Vorderkiemer sind getrenntgeschlechtlich, die Lungenschnecken dagegen Zwitter, d.h. sie können sowohl Spermien als auch Eizellen produzieren. Bei Fehlen eines Partners kann auch innere Selbstbefruchtung erfolgen. Die Eiablage erfolgt einzeln oder in Paketform an den verschiedensten meist feuchten Stellen. Die Entwicklung bis zum Schlupf der Jungschnecken dauert meist mehrere Wochen und ist v.a. temperaturabhängig. Die Lebensdauer kleinerer Arten beträgt nur ein Jahr, von größeren bis zu 5 Jahre. Im Hinblick auf die Nahrung, die mit der beweglichen, zähnchenbesetzten Zunge (Radula) abgeschabt oder abgebissen wird, sind die meisten Arten nicht sehr anspruchsvoll: vermodernde oder lebende Pflanzenteile, Algen, Pilze, Flechten, Aas, Kot. Es gibt aber auch ausgesprochene Nahrungsspezialisten.

Was sind... Landschnecken?

In Deutschland kommen etwa 223 Arten der Landschnecken vor, die sich in Gehäuse- und Nacktschnecken untergliedern lassen. Bei den Gehäuseschnecken gliedert sich der Weichteil in einen Fußteil und einen spiralig aufgewundenen und im Gehäuse verborgenen Eingeweidesack. Bei den Nacktschnecken ist das Gehäuse durch Reduktion verlorengegangen und der gesamte Körper besteht praktisch nur aus dem Fußteil, in dem sich auch alle inneren Organe befinden.

Landschnecken sind in nahezu allen Lebensräumen zu finden. Sie besiedeln den gesamten Feuchtegradienten vom Gewässerufer bis hin zum Trockenrasen sowie fast den gesamten Sukzessionsgradienten vom Primär-Ruderal bis zum naturnahen Hochwald. Im Allgemeinen sind natürliche Lebensräume auf kalkreichen Böden artenreich, saure Böden dagegen artenarm. Während die meisten Arten intakte natürliche Lebensräume besiedeln, haben sich einige an die Kulturlandschaft angepasst und treten nach Massenvermehrungen oft als Schädlinge auf (v.a. einige Nacktschneckenarten). Die meisten Landschnecken machen witterungsbedingte Ruhepausen (Sommer- und Winterpause).

Was sind... Süßwassermollusken?

Die Fauna der Süßwassermollusken Deutschlands umfasst 57 Schnecken- und 38 Muschelarten (GLÖER 2002, GLÖER & MEIER-BROOK 2003). Man findet sie in fast allen Gewässern, wo sie z.T. in hohen Populationsdichten auftreten. Viele Arten zeigen eine hohe, mit bestimmten Umweltbedingungen einhergehenden Formvariabilität. Es gibt nur wenige salztolerante, auch im Brackwasser auftretende Arten. Während für die Lungenschnecken der Sauerstoffgehalt des Wassers relativ unwichtig ist, sind Kiemenschnecken und vor allem Muscheln auf m.o.w. sauerstoffreiches Wasser angewiesen.

Schnecken und Muscheln sind von Natur aus relativ wenig mobil, haben aus eigenen Möglichkeiten nur einen kleinen Aktionsradius. Wasserschnecken und Muscheln verbreiten sich dennoch weit mit Hilfe des strömenden Wassers. Im oder am Gefieder von schwimmenden und fliegenden Wasservögeln überwinden Süßwassermollusken auch größere Entfernungen. Für kleine Landschnecken ist es auf diese passive Weise ebenfalls möglich, neue Biotope zu besiedeln. Auch durch Weidevieh werden Landschnecken verbreitet. Den größten Beitrag zur Verbreitung von Mollusken über Strecken, deren Längen nahezu weltumspannend sind, leistet seit Jahrtausenden der Mensch. Besonders für die Ostfriesischen Inseln hat dieser Zuwachs an Arten seit Beginn der Besiedlung durch den Menschen und der damit verbundenen Tätigkeiten eine ganz erhebliche Bedeutung erlangt.

Einleitung

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Das einheitlich braun gefärbte Mäuseöhrchen, Myosotella myosotis, kommt in Deutschland nur auf Salzwiesen vor. Bevorzugt besiedelt werden die Ränder kleinerer Brackgewässer. Die bundes- und landesweit gefährdete Art ist das "Weichtier des Jahres 2008" (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

Erst seit wenigen Jahrhunderten, seit ingenieurtechnische Leistungen des Menschen die marine Dynamik an der nordwestdeutschen Wattenküste bändigten, ist der anthropogene Einfluss auf die Ausbildung und Differenzierung terrestrischer und limnischer Biotope von deutlich größerer Bedeutung als die wind- und tidedominierten Vorgänge, die in erdgeschichtlich kürzesten Zeiträumen die Barriere-Inseln zwar entstehen ließen, die jedoch das Aufkommen und die Entwicklung der heutigen Biotop- und Artenvielfalt kaum ermöglicht hätten.

Ein besonderes Phänomen der ostfriesischen Düneninseln ist, dass auf ihnen trotz ihrer ausgeprägten Naturnähe viele Arten vorkommen, die nahezu ausschließlich durch den Menschen dorthin gebracht wurden: Zu Beginn des 20. Jh. ganz gezielt, meist aber unbewusst und unbemerkt, quasi im "Schlepptau" des Menschen und seiner Tätigkeiten. Eine ausgesprochen hohe Zahl eingeschleppter Arten findet sich unter den Schnecken und Muscheln in den Süßgewässern auf den Inseln und besonders unter den Landschnecken.

Die aktive Besiedlung der seit ihrer Entstehung vom Festland getrennten Inseln scheidet für landlebende Weichtiere ebenso wie für limnische Schnecken und Muscheln aus. Andernorts denkbare und realistische Verbreitungsvorgänge durch z.B. Wind oder strömendes Wasser sind aufgrund des Festlandsabstandes von mehreren Kilometern und des hohen Salzgehaltes im Wasserkörper und am Meeresboden ebenfalls nicht in Betracht zu ziehen, im Einzelfall wäre höchstens eine Verfrachtung durch Treibholz (z.B. aus den Flussläufen) denkbar. Der Transport besonders von Süßwasserarten an Wasservögeln, aber auch von sehr kleinen Landschnecken an Vögeln ist zwar bekannt (z.B. LEEGE 1915: 126), dennoch ist für die Weichtierfauna der Ostfriesischen Inseln insgesamt anzunehmen, dass ihre relative Vielfalt unmittelbar mit der menschlichen Siedlungstätigkeit zusammenhängt.

Im Folgenden wird ein Überblick über die Artenbestände der Binnenmollusken auf den einzelnen Ostfriesischen Inseln gegeben, in dem sämtliche historischen und aktuellen Literaturdaten zusammengetragen werden. Im Unterschied zur ersten Daten-Kompilation in BRÖRING et al. (1993: 4f) werden die z.T. sehr alten, Angaben jetzt kritisch bewertet und auf den neuesten nomenklatorischen Stand gebracht sowie neue Daten aus den letzten 15 Jahren integriert. Darüber hinaus werden durch die Auswertung der Biotopverteilungen der einzelnen Arten auf den Inseln erstmals auch artspezifische Habitatpräferenzen angegeben.

Datenlage und Erforschungsgeschichte

Die kritische Auswertung der von SCHNEIDER (1892, 1898) für Borkum gemeldeten terrestrischen Binnenmollusken (inkl. der Daten von KOHLMANN 1879 u. BORCHERDING 1883) ergab 20 Arten, darüber hinaus wurden von Juist (Leege u. Borcherding leg.), Norderney (MENKE 1830 zit. n. LEEGE 1915, REINHARDT 1869) und Spiekeroog (POPPE 1891) drei weitere Arten aufgelistet. Im Hinblick auf die limnischen Mollusken wurden von Borkum ebenfalls 20 Arten festgestellt, vier weitere Arten von Juist. Insgesamt waren also bereits um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert 47 Binnenmolluskenarten von den Inseln bekannt.

Im Zuge der anschließenden Erfassungen von Otto Leege auf einigen Inseln (LEEGE 1915), der im Zeitraum 1932-49 fortgeführten Untersuchungen auf Borkum durch F. und R. Struve und der Untersuchungen von ANT (1963) sowie einiger Einzelnachweise (z.B. BÜTTNER 1924 von Langeoog) erhöhte sich die Artenzahl der Landschnecken für die Inselkette um 9 Arten auf 32; die der limnischen Vertreter wurde um eine Art (Physa fontinalis) auf 25 gesteigert, sodass insgesamt 57 Binnenmolluskenarten bis Ende der 1960er Jahre von der Inselkette bekannt waren.

Ab Mitte der 1980er Jahre erbrachten z.T. spezielle malakologische Untersuchungen 13 weitere Landschnecken-Nachweise (SCHOLZ 1988 für Memmert und Mellum, LILL 1997, 1999, 2001 für Baltrum) und 4 weitere Nachweise für limnische Mollusken (NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998, GRELLA 2000).

Im Hinblick auf die Landschneckenfauna liegen umfassende Erhebungen lediglich für die alten Inseln Borkum (allerdings nur alte Daten) und Baltrum sowie für die jungen Inseln Memmert und Mellum vor. Für alle übrigen Inseln fehlen systematische malakologische Untersuchungen. Für die limnischen Vertreter ergibt sich dagegen durch die detaillierten ökofaunistischen Bestandserhebungen der Süß- und Brackgewässer aller alten Inseln (NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998) ein guter Erfassungsstand.

Aktueller Artenbestand auf den Inseln

Insgesamt wurden von den Ostfriesischen Inseln 44 Landschnecken gemeldet (Tab. 1), darunter 8 Arten nur aufgrund alter Beobachtungen. Von ihnen dürften 3 aber dennoch zum aktuellen Artenbestand der Inselkette zählen. Die Populationen der auf Borkum, Juist und Norderney um 1900 ausgesetzten Weinbergschnecke (Helix pomatia) können als erloschen angesehen werden. Die Meldungen für vier weitere Arten (Limacus flavus, Limax cinereoniger, Arion hortensis, Helicella itala) gehen auf alte, nicht mehr nachprüfbare Funde zurück, die höchstwahrscheinlich auf Fehlbestimmungen und/oder Artefakten beruhen. Das aktuelle Insel-Arteninventar entspricht damit bei den Landschnecken 17 % des deutschen Artenbestandes; es dürfte sich nach intensiverer Bestandserfassung noch deutlich erhöhen.

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Tab. 1: Aktuelle Artenbestände der Landschnecken auf den Ostfriesischen Inseln.

Die Artenzahlen für die einzelnen Inseln spiegeln lediglich den derzeitigen Untersuchungsstand wider: Bis auf Baltrum, Memmert und Mellum sind die tatsächlichen Bestände an Landschnecken bislang nicht annähernd erfasst.

Die Zahl der jemals auf den Ostfriesischen Inseln festgestellten limnischen Mollusken beträgt 29, darunter 21 Schnecken und 8 Muscheln (Tab. 2). Insgesamt 5 nur durch alte Meldungen nachgewiesene Arten dürften auch heute zum aktuellen Inventar gehören, während das derzeitige Vorkommen von vier Arten als unwahrscheinlich gilt: Die gemeine Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata), auf Memmert und Baltrum von Leege ausgesetzt (LEEGE 1915) sowie auf Borkum nur durch einen Schalenfund unter Holz nachgewiesen, konnte bei den aktuellen Erhebungen trotz Nachsuche nicht wiedergefunden werden. Das gleiche gilt für die Gemeine Teichmuschel (Anodonta anatina), deren Vorkommen auf Borkum gegen 1890 (SCHNEIDER 1898: 169f.) bekannt wurde, aber schon kurze Zeit später nicht mehr bestätigt werden konnte. Das limnische Arteninventar auf der ostfriesischen Inselkette entspricht damit etwa 26 % des deutschen Artenbestandes (für Schnecken 33 %, für Muscheln 16 %).

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Tab. 2: Aktuelle Artenbestände der limnischen Mollusken auf den Ostfriesischen Inseln .

Die Artenzahlen der Süßwassermollusken auf den Inseln spiegeln in etwa die jeweilige Gewässersituation wider: Die artenreichsten Inseln sind Borkum, Juist, Norderney und Wangerooge, auf denen große Gewässer ("Deichkolke" auf Borkum, Hammersee auf Juist) oder sehr viele Kleingewässer (z.B. "Bombentrichtertümpel" auf Wangerooge) vorhanden sind. Die verstärkte Besiedlung durch limnische Mollusken vollzog sich für die meisten Inseln erst vor etwa 100 Jahren, als durch Aktivitäten des Menschen zahlreiche Gewässer geschaffen wurden (u.a. Viehtränken, Sandentnahmestellen, Bombentrichter). Vorher waren die wenigen, zumeist temporären und größtenteils brackigen Gewässer und Abzugsgräben meist molluskenleer, was LEEGE (1915) dazu veranlasste v.a. auf Baltrum 6 Arten auszusetzen: Bithynia tentaculata, Lymnaea stagnalis, Planorbis planorbis, Radix balthica, Stagnicola palustris und Anisus leucostoma. Lediglich die drei letztgenannten sind heute noch auf der Insel präsent.

Binnenmollusken in den Inselbiotopen

Durch Auswertung der jeweils angegebenen Fundorte auf den Inseln wurden die Habitatpräferenzen der einzelnen Arten dokumentiert (Tab. 3).

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Tab. 3: Verteilung der Weichtiere in den verschiedenen Biotoptypen der Ostfriesischen Inseln.

Mit Ausnahme der Vor- und Weißdünen werden alle terrestrischen und aquatischen Insel-Lebensräume von Binnenmollusken besiedelt. Die artenreichsten Spektren finden sich erwartungsgemäß in den feuchten Dünentälern, vor allem aber in den stark durch den Menschen geprägten Bereichen in Siedlungsnähe. Schon LEEGE (1915) erwähnt, dass die ergiebigsten Fundstellen für Landschnecken im Siedlungsbereich liegen, was den anthropogenen Einfluss bei der Etablierung der Binnenmollusken auf den Inseln unterstreicht. Von den aktuell festgestellten Arten können mindestens 8 als "Kulturfolger" angesehen werden: Discus rotundatus, Oxychilus cellarius, O. draparnaudi, Limax maximus, Deroceras reticulatum, D. panormitanum, Arion lusitanicus und Cepaea nemoralis.

Die extremen Lebensraumbedingungen in den stark vom Meer beeinflussten Salzwiesenbiotopen erlauben es nur wenigen spezialisierten, mehr oder weniger amphibisch lebenden Binnenmolluskenarten, sich dort dauerhaft anzusiedeln: Myosotella myosotis in den unteren, Assiminea grayana und Peringia ulvae in den unteren und oberen Bereichen; in der Übergangszone zur Düne finden sich noch Pupilla muscorum, Cepaea hortensis und Oxyloma elegans.

Insgesamt wird bei Betrachtung der ökologischen Ansprüche der auf den Ostfriesischen Inseln festgestellten Arten deutlich, dass für die relativ jungen und vielfach extremen Bedingungen unterworfenen Inselbiotope ein deutlich eingeschränktes Artenspektrum typisch ist: Es dominieren eurytop-mesophile, kulturfolgende und verschleppungstolerante Arten, während stenöke Arten mit speziellen Lebensraumansprüchen unterpräsentiert sind.

Gefährdungssituation

Die Ostfriesischen Inseln bieten 20 bundes- und/oder landesweit gefährdeten bzw. vom Aussterben bedrohten Binnenmollusken Lebensraum (Tab. 4). Davon sind 8 terrestrische und 12 aquatische Vertreter. Mit den weiteren 9, bundesweit auf der Vorwarnliste stehenden Arten beläuft sich die Zahl besonders schützenswerter Arten auf 29, die über 45 % des Inselinventars entsprechen.

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Tab. 4: Gefährdete bzw. vom Aussterben bedrohte Binnenmollusken auf den Ostfriesischen Inseln.

Besonders hervorzuheben sind die Funde der vom Aussterben bedrohten Salz-Bernsteinschnecke (Quickella arenaria). Obwohl bei älteren Funden oft Verwechslungen mit der sehr ähnlichen und viel häufigeren Kleinen Bernsteinschnecke (Succinella oblonga) vorliegen, kann die erfolgreiche Besiedlung der ostfriesischen Inselkette als gesichert gelten: SCHNEIDER (1898: 166) fand die Art zeitweise häufig in einem feuchten offensichtlich brackigen Dünental. Ca. 30 Jahre später konnte die Art von Struve aber schon nicht mehr bestätigt werden. ANT (1963: 12) gibt zwei "neue" Funde von Spiekeroog und Wangerooge an. Die jüngsten und durch genitalmorphologische Untersuchung abgesicherten Funde stammen von der jungen Insel Memmert (SCHOLZ 1988).

Bei der Einschätzung des Gefährdungspotentials für die nachgewiesenen Binnenmollusken ist zwischen direkter Gefährdung einzelner Populationen und indirekter Gefährdung von Arten über längerfristige Lebensraum-Veränderungen zu unterscheiden. Direkte Gefährdung (z.B. durch Überbauung, Beweidung, Trittschäden) ist zur Zeit für keine der betreffenden Arten ein ernstes Problem. Auf einigen Inseln finden dagegen z.T. gravierende Lebensraum-Veränderungen in den feuchten Dünentälern statt: Wegen der durch den Massentourismus in den Sommermonaten gestiegenen Trinkwasserentnahme trocknen die Täler zeitweilig aus oder versalzen durch nachdrückendes Meerwasser. Es kommt zu Vegetationsveränderungen, die Kleingewässer trocknen aus, verlanden oder versalzen. Andere z.T. gravierende Lebensraum-Veränderungen in den Dünen durch massive Verbuschungen (hier v.a. durch die ehemals gepflanzte, aus NO-Asien stammende Kartoffel-Rose (Rosa rugosa) oder durch das z.T. großflächige Auftreten des neophytischen Kaktusmooses (Campylopus introflexus) dürften aufgrund der Monotonisierung der Flächen auch für die Molluskenfauna langfristig negative Auswirkungen haben.

Basierend auf einem Artikel von:

Karsten Lill
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Dr. Rolf Niedringhaus
Carl-von-Ossietzky-Universität
Fakultät V, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
D–26111 Oldenburg
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Stand: 02/2009