Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Regenwürmer und verwandte Gruppen der Ostfriesischen Inseln

(Annelida, Clitellata, Oligochaeta et Hirudinea)

Vorläufiger Artenbestand anhand von Literaturdaten

Zusammenfassung

Die wenigen Daten zur Fauna der Regenwürmer, Egel und verwandten Gruppen der Ostfriesischen Inseln stammen aus dem vorletzten Jahrhundert von der Insel Borkum. Gemeldet wurden 8 Arten der Familie Lumbricidae (Regenwürmer), jeweils 2 Arten der Lumbriculidae und Enchytraeidae sowie 4 Arten aus der Gruppe der Hirudinea (Egel). Weitere Arten sind nach gezielten Erhebungen zu erwarten.

Summary

Earthworms and related groups of the East Frisian islands (Annelida, Clitellata, Oligochaeta et Hirudinea). - The information compiled in the present account is based on a survey of the available literature. There are only few records of earthworms, leeches and related groups from the East Frisian island of Borkum date from the century before last. The records include 8 species of Lumbricidae, two species each of Lumbriculidae and Enchytraeidae, and four species of Hirudinea. More comprehensive surveys in the field are expected to yield further species.

Was sind... Gürtelwürmer?

Die Gürtelwürmer, die zu den Ringelwürmern (Annelida) gehören, umfassen die beiden taxonomischen Einheiten Oligochaeta (Wenigborster) und Hirudinea (Egel). Kennzeichnendes Merkmal der Clitellata ist der bei geschlechtsreifen Tieren mehrere Segmente umfassende Gürtel (Clitellum).

Was sind... Regenwürmer?

Die wohl bekanntesten Vertreter der Oligochaeta sind die Regenwürmer (Lumbricidae). Daneben gibt es noch wenige, vorwiegend aquatisch lebende Arten der Familie der Lumbriculidae mit ca. 70 Arten in Europa. Weltweit umfassen die Lumbricidae 320 Arten, in Deutschland gibt es 39 Arten, davon kommt allerdings nur etwa die Hälfte häufig vor (GRAFF 1984).

Die einzelnen Segmente des Regenwurmkörpers sind untereinander sehr ähnlich aufgebaut, beherbergen zum Teil aber unterschiedliche Organe. Der große Vorteil dieses segmentierten Körperbaus besteht in einer hohen Regenerationsfähigkeit. Verliert ein Regenwurm einen nicht zu großen Teil seines Hinter- oder Vorderleibes, so können die verloren gegangenen Segmente nachgebildet werden. Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal der Lumbricidae ist ihr Clitellum, eine drüsenreiche, über mehrere Segmente reichende Anschwellung der Haut. Das Clitellum bildet sich mit der Geschlechtsreife aus und produziert ein schleimiges Sekret, welches bei der Paarung und Eiablage wichtige Funktionen erfüllt (GRAFF 1984).

Im Hinblick auf ihr ökologisches Verhalten lassen sich die Regenwürmer im Wesentlichen in drei Lebensformtypen einteilen:

  • 1. Die epigäischen Arten als kleine und kurzlebige Vertreter bevorzugen die Streu- und Humusauflage des Bodens oder auch verwitterndes Holz als Lebensraum.
  • 2. Die endogäischen Arten leben ausschließlich unterhalb der Bodenoberfläche in bis zu 50 cm Tiefe und verlassen ihre unterirdischen Gänge in der Regel nicht. Sie können lang anhaltende, ungünstige Witterungsbedingungen im Boden überdauern und werden so mehrere Jahre alt.
  • 3. Die anözischen Arten graben sehr tiefe Gänge in den Boden (>1 m), verlassen jedoch zu bestimmten Aktivitäten wie Nahrungsaufnahme oder Paarung den Boden. Auch sie überdauern Kälte und Trockenheit tief im Boden und sind relativ langlebig (BOUCHE 1973 in DUNGER 1983).

Regenwürmer stellen relativ hohe Ansprüche an ihren Lebensraum und reagieren daher auch recht sensibel auf sich ändernde Umweltbedingungen. Wichtige Faktoren sind dabei die Bodenfeuchtigkeit und -temperatur, der pH-Wert des Bodens und das Nahrungsangebot (PETZOLD 2007).

Die Nahrung der Lumbricidae besteht aus abgestorbenem Pflanzenmaterial und anderen organischen Resten sowie aus Mikroorganismen, in Ausnahmefällen auch aus lebenden Pflanzenteilen. Unter den epigäischen Arten gibt es einige, die besonders den Kot von Weidetieren bevorzugen (GRAFF 1984), ansonsten ernähren sie sich hauptsächlich von Falllaub, abgestorbenen Gras- und Krautresten oder auch von Totholz. Die aufgenommene Menge an mineralischer Substanz ist gering und entsprechend humusreich sind die Kothäufchen. Im Gegensatz dazu nehmen die endogäischen Regenwurmarten den Boden als Nahrung auf und filtern aus diesem organische Bestandteile und Mikroorganismen. Der von diesen Tieren produzierte Kot ist folglich humusarm und reich an mineralischer Substanz. Anözische Arten verzehren hauptsächlich abgestorbene Pflanzenteile von der Oberfläche, beim Anlegen ihrer tiefen Gänge nehmen sie jedoch auch Boden als Nahrung auf (DUNGER 1983).

Sowohl auf der Bodenoberfläche als auch im Bodenkörper erfüllen die Regenwürmer wichtige ökologische Funktionen, welche sich in der Verbesserung einiger Bodeneigenschaften niederschlagen. So tragen die Tiere wesentlich zu einer Beschleunigung des Abbaus abgestorbener Pflanzen bei und sorgen damit für eine schnelle Wiederverfügbarkeit von Pflanzennährstoffen im Boden (DUNGER 1983). Durch die intensive Grabtätigkeit von endogäisch und anözisch lebenden Regenwürmern wird Oberbodenmaterial in den Unterboden transportiert und umgekehrt; man spricht hier von Bioturbation. Außerdem erhöhen die Gänge der Regenwürmer den Makroporenanteil und damit die Infiltrationsfähigkeit und Wasserkapazität des Bodens (TROLLDENIER 1971).

Ebenfalls zu den Oligochaeta gehören die Enchytraeidae. Die 2 bis 35 mm großen, meist weißlichen Würmer können sich nur bedingt durch den Boden graben und leben daher hauptsächlich in der Streuauflage des Bodens sowie im Oberboden. Die Enchytraeidae treten häufig in sehr hohen Individuenzahlen auf (bis zu 150.000/m²) und können daher trotz ihrer geringen Größe einen wesentlichen Anteil an der Gesamtbiomasse der Bodenfauna ausmachen. Enchytraeidae reagieren noch empfindlicher auf Trockenheit und Kälte als Regenwürmer und nur ihre Eikokons können länger andauernde ungünstige Bedingungen überstehen. Sie ernähren sich von Bakterienfilmen auf verrottenden Blättern, Pollen sowie vom Kot anderer Bodentiere. In Deutschland kommen über 35 Arten vor (HARTWICH 1992).

Was sind... Egel?

Zu den Egeln (Hirudinea) gehören weltweit etwa 300 Arten, in Deutschland gibt es ca. 35 Arten (HARTWICH 1992, NEUBERT & NESEMANN 1999). Wie die Oligochaeta, besitzen die Egel einen segmentierten Körper, allerdings mit nur geringer, immer gleicher Segmentzahl (33). Die Hirudinea besitzen zwei Haftscheiben, eine kleinere am Vorderleib, wo sich auch die Mundöffnung befindet, und eine größere, die von den letzten sieben Segmenten des Hinterleibes gebildet wird. Auf dem Rücken des Vorderleibes besitzen die Egel meist mehrere Augen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung ihres Vorderdarmes werden die Hirudinea in Rüsselegel, Kieferegel und Schlundegel eingeteilt.

Der Lebensraum des größten Teiles der einheimischen Egelarten befindet sich im Süß- oder Meerwasser. Einige Arten halten sich aber zeitweilig, zum Beispiel zur Eiablage, an Land in feuchten Uferbereichen auf. Sie leben entweder parasitisch und ernähren sich dann vom Blut wasserbewohnender Tiere oder sie leben räuberisch. Als Beute dienen diesen Arten Kleintiere wie Schnecken und Würmer.

Nur zur Fortpflanzungszeit bildet sich bei den Egeln das Clitellum aus, welches wie bei den Regenwürmern zur Produktion der Eikokons dient. Einige Arten betreiben Brutpflege, indem sie Eikokons und auch Jungtiere mit sich tragen. Dies gilt als Besonderheit für Tiere dieser Entwicklungsstufe.

Einleitung

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Der Gemeine Regenwurm, Lumbricus terrestris, z.T. auch Tauwurm genannt, ist der wohl bekannteste Vertreter der Wenigborster (Oligochaeta) und der bekannteste und verbreitetste heimische Regenwurm. - Auf den Inseln dürfte sein Lebensraum auf die Grünlandbereiche beschränkt sein, wo er sicherlich nicht selten ist; genaue Untersuchungen fehlen; es gibt lediglich über 100 Jahre alte Nachweise von der Insel Borkum. (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

In der Einleitung seiner vor über 100 Jahren erschienenen Monographie über "Die Tierwelt der Nordsee-Insel Borkum" schreibt SCHNEIDER (1898): ..."denn thatsächlich mangelt es an Regenwürmern und Nacktschnecken auf Borkum wenigstens durchaus nicht, (...), ja an Regenwürmern konnte ich dort (...) in wenigen Wochen annähernd ebensoviel, und zwar zum Teil in Menge auftretende Arten nachweisen, wie Dr. Michaelsen aus der weiteren Umgebung von Hamburg oder vom Harz bekannt gegeben hat".

Die von Schneider auf Borkum durchgeführten Bestandsaufnahmen der Regenwürmer und verwandter Gruppen sowie der Egel blieben bis heute die einzigen Untersuchungen zu dieser Tiergruppe auf den Inseln.

Im Folgenden werden die aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden Literaturdaten zu den terrestrischen und limnischen Vertretern der Gürtelwürmer (Clitellata) auf den heutigen nomenklatorischen Stand gebracht und kurz kommentiert. Als Grundlage dient die erste Zusammenstellung in BRÖRING et al. (1993: 5f.).

Regenwürmer auf den Ostfriesischen Inseln

Von SCHNEIDER (1898) wurden auf Borkum insgesamt acht Regenwurmarten festgestellt: "Sehr häufig" waren Aporrectodea caliginosa, Lumbricus rubellus und Lumbricus terrestris; "häufig" wurden festgestellt Dendrodrilus subrubicundus, Dendrodrilus rubidus und Eiseniella tetraedra; "selten" waren Allolobophora chlorotica und Dendrobaena octaedra. Damit sind 25 % der deutschen Regenwurmfauna auf den Inseln vertreten.

Von den aquatisch lebenden Lumbriculidae und den in der Streuschicht des Bodens lebenden Enchytraeidae wurden von SCHNEIDER (1898) nur jeweils 2 Arten festgestellt: Enchytraeus vejdovskyi (Eisen sensu Schneider, 1898 - Nomen dubium) und Fridericia ratzeli (Eisen, 1872).

Es ist davon auszugehen, dass durch eingehende bodenbiologische Untersuchungen auf den Inseln noch etliche Regenwurm- und v.a. Enchytraeiden-Arten festgestellt werden können.

Egel auf den Ostfriesischen Inseln

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Der Große Schneckenegel, Glossifonia complanata, lebt in den verschiedensten Still- und Fließgewässern; er ist überall häufig. Von den Inseln existiert lediglich ein über 100 Jahre alter Nachweis von Borkum. Dieser Egel dürfte aber in den limnischen Kleingewässern weit verbreitet sein.(Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

SCHNEIDER (1898) stellte bei seiner umfassenden faunistischen Inventarisierung der Insel Borkum vier Egelarten fest: Neben dem Medizinischen Blutegel (Hirudo medicinalis) konnte er den 10 bis 15 cm großen, räuberisch lebenden Pferdeegel (Haemopis sanguisuga), den 1 bis 4 cm großen parasitisch besonders auf Schnecken lebenden Schneckenegel (Glossiphonia complanata) sowie den 0,5 bis 1,2 cm großen, ebenfalls parasitisch auf Schnecken lebenden Plattegel (Helobdella stagnalis) feststellen. Weitere Nachweise von Egeln auf den Ostfriesischen Inseln wurden bis heute nicht erbracht.

Auch für die Egel ist davon auszugehen, dass sich sich durch intensivere limnologische Erhebungen in den Süß- und Brackgewässern zahlreiche weitere Arten nachweisen lassen werden.

Basierend auf einem Artikel von:

Maximilian Petzold
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Stand: 02/2009