Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Moose

Basierend auf einem Artikel von Thomas Homm

Zusammenfassung

Für die ostfriesische Inselkette liegen Nachweise für insgesamt 231 Moosarten (245 Sippen) vor. Die Anzahl der für die sieben größeren und älteren Düneninseln (Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge) bekannten Moossippen liegt zwischen 173 und 77. Von drei weiteren kleineren und jüngeren Inseln (Memmert, Minsener Oog und Mellum) sind zwischen 36 und 11 Moossippen dokumentiert. Zu berücksichtigen ist, dass nur wenige aktuelle Bestandsaufnahmen, die das gesamte Spektrum von Mooslebensräumen einer Insel abdecken, vorliegen. Die Ostfriesischen Inseln besitzen eine hohe Moos-Artendiversität. Bei den Biotoptypen weisen die feuchten Dünentäler sowie die Siedlungsbiotope die größten Artenzahlen auf. Insgesamt bilden die natürlichen Biotopkomplexe der Düneninseln mit ihren See-Land-Abfolgen einen bedeutsamen Lebensraum für landesweit seltene und gefährdete Moosarten. Einige Arten wurden in Niedersachsen bislang nur auf den Inseln nachgewiesen oder besitzen auf das Niedersächsische Tiefland bezogen hier ihren Verbreitungsschwerpunkt.

Summary

The bryophyte flora of the East Frisian islands (Bryophyta). - A total of 231 bryophyte species (245 taxa) have been recorded from the East Frisian islands (Southern North Sea, Lower Saxony). Numbers of bryophyte taxa known from the various larger and older dune islands range between 173 and 77. It should be noted, however, that current surveys of the bryophyte flora covering all relevant island habitats are few. The East Frisian islands harbour a diverse bryophyte flora. The highest species counts are stated for dune slacks and man-made habitats. Important to conservational aspects is the large number of rare and threatened bryophytes occurring in natural dune habitats. Some species in lowland Lower Saxony are mainly confined to the islands or have been recorded only from there.

Was sind... Moose?

Moose werden im System der Pflanzen traditionell in eine eigene Abteilung (Bryophyta = Moospflanzen) gestellt. Sie sind mit den Farn- und Blütenpflanzen verwandt und haben sich wie diese wahrscheinlich aus Grünalgen ähnlichen Vorfahren entwickelt. Ihre Größe schwankt bei heimischen Arten zwischen ca. 1 mm und ca. 0,5 m. Moose vermitteln in ihrer Erscheinung zwischen den Lagerpflanzen (Thallophyten) mit einem lappenartig ausgebreiteten Körper und den Sprosspflanzen (Kormophyten), die einen in Spross, Blatt und Wurzel gegliederten Körper aufweisen. Moose sind Sporenpflanzen mit einem ausgeprägten heteromorphen Generationswechsel, wobei die für den Betrachter auffällige grüne Moospflanze den Gametophyten (1. Generation mit einfachem Chromosomensatz) darstellt, der die männlichen und weiblichen Geschlechtszellen in speziellen Organen (Gametangien) hervorbringt. Die männlichen Zellen (begeißelte Spermatozoiden) werden in keulenförmigen Antheridien gebildet, während die Eizellen am Grunde flaschenförmiger Gebilde (den Archegonien) sitzen. Für die Befruchtung ist Wasser erforderlich, da die Spermatozoiden zu den Eizellen schwimmen müssen. Aus der befruchteten Eizelle wächst der Sporophyt (2. Generation mit doppeltem Chromosomensatz) heran. Er sitzt dem Gametophyten auf und wird von diesem ernährt. Bei den meisten Arten tritt er als Stiel mit einer endständigen Kapsel in Erscheinung. In der Kapsel werden die Sporen gebildet, die unter günstigen Bedingungen an anderer Stelle wieder zu Gametophyten auskeimen. Die winzigen und in großer Zahl gebildeten Sporen können über Luftströmungen sehr weit transportiert werden. Moose sind allerdings auch Meister der vegetativen Verbreitung. Viele Pflanzen bilden spezielle Brutkörper (Gemmen), die als mehrzellige und in Form und Farbe oft auffällige Gebilde an Blättchen, Stämmchen oder Rhizoiden (Wurzelhaaren vergleichbare Halteorgane) sitzen. Neben abfallenden Kurztrieben (Bulbillen) und Brutblättchen können auch sonstige abgerissene Pflanzenteile der Verbreitung dienen und durch Luft- und Wasserströmungen sowie anhaftend an Tieren über beachtliche Strecken transportiert werden.

Die Abteilung der Moose wird traditionell in drei Verwandtschaftskreise eingeteilt: Hornmoose (Anthocerotae), Lebermoose (Hepaticae) und Laubmoose (Musci). Alle Hornmoose gehören zur thallosen Organisationsform. Die Lebermoose haben sowohl thallose ("leberlappenartige") als auch foliose ("beblätterte") Vertreter, während alle Laubmoos-Pflanzen (Name!) in Stämmchen und Blättchen differenziert sind.

Aus Deutschland sind nach KOPERSKI et al. (2000) 1051 Moos-Arten bekannt (5 Hornmoose, 242 Lebermoose und 804 Laubmoose). In Niedersachsen sind nach KOPERSKI (1999) immerhin 728 Moos-Sippen nachgewiesen (2 Hornmoose, 167 Lebermoose und 559 Laubmoose).

Moose können in Feucht- und Magerbiotopen (Moore, Heiden und Magerrasen) die Vegetation prägen. Sie dominieren vor allem in den kühlen Breiten und den hohen Gebirgen. Moose sind jedoch aufgrund ihrer geringen Größe und Produktivität in ihrer Konkurrenzkraft den Gefäßpflanzen in den meisten Lebensräumen deutlich unterlegen. Ihre geringe Größe und Genügsamkeit erlaubt ihnen auch eine Besiedlung von Habitaten, die von Gefäßpflanzen auf Grund von Nährstoff- und/oder Wassermangel nicht oder kaum besiedelt werden können (z.B. Rinde, Holz und Gesteinsoberflächen). Als wichtige Eigenschaft ist hier die Poikilohydrie zu nennen. Damit ist die Fähigkeit gemeint, dass Moose über längere Zeit - ohne Schaden zu nehmen - austrocknen können und bei Verfügbarkeit von Wasser innerhalb kurzer Zeit ihren Stoffwechsel wieder aktivieren und Photosynthese betreiben können. Wasser und darin gelöste Nährstoffe werden über die gesamte Oberfläche aufgenommen.

Viele Arten zeigen sehr spezielle Ansprüche bezüglich des besiedelten Substrates sowie der Licht-, Wasser-, Nährstoff- und Basenversorgung. Moose sind sehr empfindlich gegenüber Umweltveränderungen. Wegen ihrer hohen Sensitivität gegenüber Schadstoffen werden Moose auch als Bioindikatoren zur Beurteilung z.B. von Luft- und Gewässergüte eingesetzt (vgl. FRAHM 1998). Aktuelle und illustrierte Einführungen in die Mooskunde liegen mit FRAHM (2001) und FRAHM (2006) vor.

Einleitung

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Graudünenlandschaft auf Baltrum mit trockenen Magerrasen, dominiert von verschiedenen Moosarten, Flechten und Silbergras, Corynephorus canescens (Foto: Schieber/Neugart, 2005)

Die Ostfriesischen Inseln sind Düneninseln und entwickelten sich als sog. Barriere-Inseln aus Sandplaten vor der Festlandsküste als Ergebnis des Zusammenspiels von Wind- und Meeresströmung, Brandung und Gezeiten. Auf das Stadium der Sandplate folgte nach Ansiedlung entsprechender sandfestigender Salz- und Sandpflanzen die (organogene) Dünenbildung. Heute werden stellenweise Dünenhöhen über 20 m erreicht. Ähnliche Entwicklungsbedingungen haben auf den Inseln zu einer charakteristischen See-Land-Abfolge bestimmter Landschaftselemente geführt. Dadurch hat sich ein wiederkehrendes landschaftliches Grundmuster von einer Xeroserie (Strand und trockene Dünen) über eine Hygro- und Hydroserie (nasse und feuchte Dünentäler, Kleingewässer) bis hin zur Haloserie (Salzwiesen und Wattflächen) entwickelt. Während junge Dünenlebensräume bedingt durch den Muschelschill noch kalk- und basenreiche Substrate aufweisen, setzt sich in festgelegten Dünenzügen im Laufe der Zeit die auswaschende Wirkung von Niederschlägen durch, die zu einer Entkalkung und Versauerung der Standorte führt. Einzelheiten zur Inselgenese, zu Biotoptypen und zur Vegetation auf den Inseln sind den Abschnitten Insel-Entstehung, Biotoptypen, Farn- und Blütenpflanzen und Flechten zu entnehmen.

Die Moosflora auf den Ostfriesischen Inseln fällt vor allem durch die großen Bestände an Erdmoosen in den Grasfluren und Heiden der Dünen ins Auge; besonders im Winterhalbjahr sind sie in den Braun- und Graudünenbereichen aspektbildend. Weniger auffällige Moose sind in vielen anderen Bereichen der Inseln vertreten und mit hohen Artenzahlen vor allem in den feuchten Dünentälern (inkl. Gewässer), den Wäldern und Gebüschen aber auch im besiedelten Bereich anzutreffen.

Mit der vorliegenden Zusammenstellung soll ein Überblick über den aktuellen Stand der Erfassung der Moosflora der Ostfriesischen Inseln gegeben werden.

Moosfloristische Erforschung der Inseln

Eine frühe Liste von Moosarten für die Inseln Spiekeroog und Wangerooge wurde von KOCH & BRENNECKE (1844) vorgelegt. Von Mitte bis Ende des vorletzten Jahrhunderts wurden vor allem von C.E. Eiben und F. Müller, aber auch von F. Buchenau und W.O. Focke Artenlisten für die größeren Inseln Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge veröffentlicht (s. Literaturliste). Schließlich wurden auch zusammenfassende Artenlisten für alle größeren Inseln herausgegeben (z.B. BUCHENAU 1901). Bis zum Jahr 1914 wurden diese nur noch durch wenige Einzelnachweise (z.B. LEEGE 1908) ergänzt. Die Erforschung der Moosflora kam dann vor Beginn des ersten Weltkrieges bis einige Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges nahezu zum Erliegen.

Die nächste wichtige Publikation zur Moosflora der Inseln geht auf F. Koppe zurück, der mit seiner Moosflora des Niedersächsischen Tieflandes (KOPPE 1964) auch die ihm bis dahin bekannten Funde von den Inseln dokumentierte, wobei er zahlreiche Belege früherer und zeitgenössischer Sammler einsah und revidierte. Es folgten die Monographien zur Moosflora von Borkum, Langeoog und Juist (KOPPE 1969, 1971, 1979), die unsere Kenntnis der Inselfloren entscheidend vertieften. In den 1970er Jahren beschäftigte Koppe sich auch mit den übrigen Inseln, so z.B. auch mit den kleineren Inseln Memmert und Mellum. H. Kuhbier zeichnete seit den 1960er Jahren u.a. Moosfunde von Mellum auf. DIERSSEN (1977) erstellte eine Übersicht über die Moose der Dünentäler auf Norderney. Diese und andere verstreute Daten wurden unter Beteiligung von F. Koppe und B.O. van Zanten in DURING et al. (1983) zusammengeführt. Diese Publikation gibt einen Überblick über die bis ca. 1980 bekannten Moose der gesamten Inselkette von den Niederlanden bis Dänemark. Von dieser Arbeit leider unbeachtet blieb die beinahe zur gleichen Zeit verfasste synoptische Darstellung der Moosflora der Ostfriesischen Inseln von KLINGER (1980), die u.a. eine Auswertung der Arbeiten von HEYKENA (1965), WIEMANN & DOMKE (1967), HÜBSCHMANN (1975) und RUNGE (1978) sowie zahlreiche bis dahin unpublizierte Funde von P.U. Klinger, H. Tabken und H. Kuhbier enthält.

Nach 1980 erschienen Monographien zur Moosflora von Juist (HOMM et al. 1994) und Spiekeroog (RÖLLER 1999), die sich mit dem Artenspektrum verschiedener Biotoptypen aber auch den Veränderungen der Moosflora beschäftigen. KOPERKSI (1998) dokumentierte am Beispiel des alten Militärflugplatzes auf Langeoog, welche Artenvielfalt sich an Sekundärstandorten auf den Inseln entwickeln kann. Eine erste Übersicht über die Moosflora der jungen Insel Minsener Oog gibt KOPERSKI (2003). Im Übrigen finden sich noch einzelne Veröffentlichungen, die Angaben zu Moosvorkommen auf den Ostfriesischen Inseln enthalten (z.B. WEEDA 1989, HOMM et al. 1995, HOMM 1999).

Datengrundlage und Nomenklatur

Diese Zusammenstellung enthält Angaben zu Moosfunden auf Basis der ausgewerteten bryologischen Literatur von allen Inseln bis auf Lütje Hörn. Diese Insel bietet aufgrund ihrer derzeitigen Biotopausstattung (Primärdünenfelder und kleinflächige Salzwiesenreste, vgl. EGGERS et al. 2008, in diesem Band) keinen Lebensraum für eine größere Anzahl von Moosarten. Die Nomenklatur der vorliegenden Nachweise wurde KOPERSKI et al. (2000) angepasst. Intraspezifische Taxa wurden nur in wenigen Fällen aufgeführt. Bei DURING et al. (1983) und KOPERSKI (1999) durchgeführte Korrekturen der Angaben früherer Autoren wurden weitgehend übernommen. Durch Anmerkungen in der Artenliste wird auf ggf. umstrittene Nachweise einzelner Arten hingewiesen. Bei der Auswertung der Datenquellen erfolgte stets eine Zuordnung von Funden zu einem der drei unterschiedenen Nachweiszeiträumen. Bei den synoptischen Arbeiten geschah dies durch Abgleich mit den dort zitierten Originalarbeiten. Insofern lassen sich die z.B. bei KOPPE (1964), DURING et al. (1983) und KLINGER (1980) dokumentierten Funddaten verschiedenen Zeiträumen bis 1980 zuordnen.

Nicht ausgewertet wurde die Fülle vegetationskundlicher und ökologischer Arbeiten, deren Schwerpunkt in der Regel die Gefäßpflanzenvegetation der Inseln bildet. Die Auswertung wäre in diesem Rahmen kaum leistbar gewesen, weil Moose häufig "nebenbei" miterfasst werden und überprüfbare Belege daher häufig fehlen. Außerdem finden sich in diesen Arbeiten meist nur Angaben zu ohnehin verbreiteten und auffälligen Arten. Abweichend davon wurden Funde aus den Arbeiten von HAESELER (1988), MÜHL (1993), NIEDRINGHAUS & ZANDER (1998) und WOLFF et al. (1993) in die Artenliste aufgenommen, da vorhandene Belege eingesehen wurden.

Den vorgenannten Autoren sowie Herrn Dr. P.U. Klinger (Petersfehn) danke ich dafür, dass sie mir ihre Aufsammlungen zugänglich gemacht haben.

Die Moosflora im Überblick

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Polytrichum piliferum ist ein charakteristisches Laubmoos der Magerrasen auf kalkarmen Graudünensanden. Die Spitzen der Moospflanzen sind durch die Gametangienstände rot gefärbt. Die Sporophyten haben rote Kapselstiele und die jungen Kapseln sind noch vollständig von den goldfilzigen Hauben verdeckt (Foto: T. Homm, Juist).

Für die Ostfriesischen Inseln sind bislang 231 Arten gemäß der Referenzliste von KOPERSKI et al. (2000) bekannt (vgl. Tab. 1); diese entsprechen etwa einem Drittel aller in Niedersachsen nachgewiesenen Moosarten. Aufgrund der hohen Natürlichkeit und der engen räumlichen Verzahnung der für Moose günstigen Standorte findet sich auf den Inseln im Verhältnis zu ihrer geringen Flächengröße eine sehr hohe Artenzahl, die auf dem benachbarten Festland in Landschaftsausschnitten vergleichbarer Größe bei weitem nicht erreicht wird.

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Tab. 1: Auf den Ostfriesischen Inseln nachgewiesene Moos-Sippen.

Größere und ältere Inseln besitzen eine höhere Sippenzahl als kleinere und jüngere Inseln (Tab. 1). Demnach erreicht Borkum die höchste Moosartenzahl, gefolgt von Langeoog, Spiekeroog, Norderney und Juist. Deutlich weniger Arten sind für die kleineren und jüngeren Inseln Minsener Oog, Mellum und Memmert verzeichnet. Diese Abfolge findet etwa ihre Entsprechung in der Größe und Habitat-Ausstattung der einzelnen Inseln.

Seit 1900 wurden intensivere, jeweils alle wichtigen Mooslebensräume berücksichtigende Erfassungen nur für Borkum, Juist, Langeoog, Spiekeroog und Minsener Oog durchgeführt (Tab. 1). Monographien mit aktuellen Nachweisen aus dem Zeitraum nach 1980 liegen nur für Juist (HOMM et al. 1994), Spiekeroog (RÖLLER 1999) und Minsener Oog (KOPERSKI 2003) vor. Für Langeoog existiert lediglich für den Bereich des alten Militärflugplatzes eine intensivere aktuelle Bearbeitung (KOPERSKI 1998). Aufgrund des unvollständigen und heterogenen Datenbestands können keine aussagekräftigen vergleichenden Angaben zu den aktuellen Artenzahlen (nach 1980) der einzelnen Inseln gegeben werden.

Die einzelnen Inseln weisen ein vergleichbares Grund-Arteninventar auf. Als wichtigste Ursachen für Unterschiede im Arteninventar der einzelnen Inseln ist das Vorhandensein bzw. Fehlen älterer und ausgedehnterer Wald- und Gehölzbestände, größerer Dünentälchen, Binnengewässer, Kleinvermoorungen oder älterer Sekundärstandorte zu nennen.

Die Inseln als Lebensraum gefährdeter Moosarten

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Orthotrichum pulchellum ist eine typischer Rindenbewohner auf Weiden und Holunder in küstennahen Bereichen. Die Kapseln sind aus den kleinen Polstern hervorgehoben und etwa zur Hälfte von den faltig-gestreiften Hauben bedeckt. In den Roten Listen Deutschlands und Niedersachsens gilt das Moos als stark gefährdet (Foto: T. Homm, Juist).

Eine große Zahl der von den Ostfriesischen Inseln bekannten Moosarten ist in den Roten Listen Deutschlands (LUDWIG et al. 1996) und Niedersachsens (KOPERKI 1999) verzeichnet (Tab. 2).

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Tab. 2: Anzahl gefährdeter Moose der Ostfriesischen Inseln (vgl. Artenliste im Anhang).

Von den 231 Arten sind im Niedersächsischen Tiefland 108 Arten (47 % der Inselflora) in einer der 6 Gefährdungskategorien eingestuft. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für eine Reihe der gefährdeten Arten keine aktuellen Nachweise vorliegen und sogar 14 Arten der Inselflora heute im gesamten Niedersächsischen Tiefland als verschollen (RL 0) eingestuft werden.

Aus Sicht des Artenschutzes sind vor allem die Arten der nassen, kalkreichen Dünentälchen hervorzuheben, die im Niedersächsischen Tiefland einen Schwerpunkt ihrer Verbreitung auf den Inseln haben. Hierzu zählen Arten wie Calliergon giganteum und mehrere Vertreter der Gattungen Campylium und Drepanocladus. Viele dieser Arten sind im altpleistozänen Tiefland aufgrund fehlender kalkreicher Feuchtstandorte schon immer selten gewesen und haben im Binnenland aufgrund der Entwässerung, Eutrophierung und Zerstörung der Niedermoorstandorte einen drastischen Rückgang erlitten.

Aus der Gattung Bryum sind im Bereich der feuchten und lichten Dünentäler sowie der Oberen Salzwiese Bryum marratii, B. knowltonii, B. salinum (in Niedersachsen bisher nur von der Insel Spiekeroog bekannt) und B. warneum hervorzuheben. Auch Tortella flavovirens ist vornehmlich auf den Inseln an aperiodisch leicht salzbeeinflussten Standorten anzutreffen.

Für den Erhalt dieser Arten in Niedersachsen sind die Inseln von herausragender Bedeutung. Vergleichbares wurde für die Moose und ihre Standorte auf den Westfriesischen Inseln in den benachbarten Niederlanden festgestellt (TOOREN & BRUIN 2004).

Floristische Besonderheiten der Dünen

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Tortula ruraliformis ist eine Charakterart der Trockenrasen kalkreicher Graudünen, wo sie mitunter im Übergangsbereich zu den Weißdünen große Bestände bildet. Die Blätter tragen lange Glasspitzen, die als Kondensationsfallen für Tau dienen. Im feuchten Zustand sind die Blätter in Aufsicht sternartig ausgebreitet (Foto: T. Homm, Juist).

Zu den Arten, die im Niedersächsischen Tiefland besonders auf den Inseln in vitalen und bisweilen größeren Beständen anzutreffen sind, gehören im Bereich der basenreicheren Dünensande Tortula ruraliformis, Racomitrium canescens und Homalothecium lutescens. Weniger auffällig, aber ebenfalls eine Art mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den Küstendünen, ist Rhynchostegium megapolitanum. Im Übrigen weist die Moosflora der Dünenrasen und Dünenheiden starke Übereinstimmungen mit den Sandmagerrasen und Heiden des Binnenlandes auf. Die Epiphyten der Dünengebüsche weisen keine speziell auf die Inseln beschränkten Arten auf; jedoch entfallen auf diese Gruppe besonders viele Erstnachweise nach 1980 (s. Artenliste im Anhang), was im Zusammenhang mit der während der letzten 20 Jahre festzustellenden Wiederansiedlung bzw. Ausbreitung rindenbewohnender Arten in Mitteleuropa zu sehen ist (z.B. VAN DER PLUIJM 2004, STAPPER 2002).

Neophyten

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Campylopus introflexus, das Kaktusmoos, ist ein invasiver Neophyt von der Südhalbkugel. Wie bei vielen Moosen strahlungsreicher Trockenstandorte sind seine Blattspitzen mit Glashaaren versehen. Die Art bildet heute Massenbestände in den kalkarmen Graudünen und überwächst dabei auch das einheimische Polytrichum piliferum, von der einzelne absterbende Pflanzen im Vordergrund zu sehen sind (Foto: T. Homm, Juist).

Neophyten sind definitionsgemäß Pflanzen, die Europa erst nach 1500 erreicht haben. Für Moose dürfte der Neophytenstatus daher in vielen Fällen nicht belegt werden können, da die Erfassung der Moosfloren europäischer und außereuropäischer Gebiete erst seit dem 19. Jahrhundert mit wachsender Intensität betrieben wird und belastbare Kenntnisse über die Verbreitungsbilder vieler Arten erst seit dem 20. Jahrhundert vorliegen. Viele Arten sind heute auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet; ob und in welchen Fällen dafür z.B. auch Verschleppungen durch den Menschen eine Rolle gespielt haben, ist kaum festzustellen. So ist vor allem für Arten mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den gemäßigten Zonen der Südhalbkugel der Neophytenstatus in Europa diskutiert und zwischenzeitlich auch belegt worden (vgl. FRAHM 2001).

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Von Campylopus introflexus dominierte monotone und artenarme Tertiärdünen-Vegetation im Pirola-Tal auf Langeoog. Durch Trocknungsrisse zerfallen die Moose in kleine Pakete, die sich - unterstützt durch die Wühltätigkeit von nahrungssuchenden Tieren (z.B. von Fasanen) vom Untergrund ablösen. Damit wird der Dünensand freigelegt und die Erosionsgefahr erhöht sich (Foto: A. Teske, Mai 2007).

Mit dem Laubmoos Campylopus introflexus ("Kaktusmoos" genannt, da seine im trockenen Zustand rechtwinklig abstehenden Glashaare an den Blattspitzen den Eindruck von Stacheln erwecken) hat die Inselflora einen inzwischen berühmt-berüchtigten Neophyten aufzuweisen. Ursprüngliche Heimat ist die Südhalbkugel; von dort ist das Moos sowohl nach Europa als auch nach Nordamerika verschleppt worden (vgl. FRAHM 2001). Campylopus introflexus besiedelt bevorzugt saure und lichtreiche Standorte auf Sand, Rohhumus und Trockentorf. Erste europäische Nachweise lassen sich bis auf das Jahr 1941 in England zurückführen. In den 1960er Jahren ist es bereits von mehreren Stellen im nordwestlichen Mitteleuropa bekannt. In Niedersachsen ist die Art heute weit verbreitet. Von den Ostfriesischen Inseln werden die ersten Funde von KOPPE (1971) für Langeoog, von KLINGER (1976) für Baltrum und Spiekeroog und schließlich von KLINGER (1980) für Borkum, Juist, Norderney und Wangerooge angegeben. Das Moos kommt heute auch auf Minsener Oog (KOPERSKI 2003) vor und bildet auf den älteren Inseln meist große Bestände im Bereich der Grau- und Braundünen. Das Moos wird von HAHN (2006) als invasiver Neophyt eingestuft, da es sich rasch ausbreitet und durch Ausbildung großflächiger Dominanzbestände die Deckung und Anzahl einheimischer Arten verringert. Da eine Bekämpfung dieser Art als aussichtslos eingeschätzt werden muss und die vorgefundenen Lebensbedingungen offenbar optimal sind (die Art bildet reichlich Sporophyten), wird sie wohl langfristig zum festen Bestandteil der Dünenvegetation gehören. Das Moos ist nach TOOREN & BRUIN (2004) seit einigen Jahrzehnten auch aus den Niederlanden von allen Westfriesischen Inseln bekannt.

Mit Orthodontium lineare (ebenfalls ein Laubmoos von der Südhalbkugel) breitet sich ein weiterer Neophyt auf den Inseln aus. Erst 1911 aus England bekannt geworden, wurde es bereits 1939 in Deutschland bei Berlin gefunden (FRAHM 2001). KLINGER (1980) veröffentlichte den ersten Nachweis von Borkum. Seither wurde es auf Juist (HOMM et al. 1994) und Spiekeroog (RÖLLER 1999) nachgewiesen.

Die Art besiedelt bevorzugt saure Standorte wie Totholz und Borke an Stammfüßen und ist heute in Niedersachsen weit verbreitet und sehr häufig. Sie bildet regelmäßig Sporophyten aus. Mit Ausdehnung und Alterung der Wälder auf den Inseln wird das Moos sich sicher weiter ausbreiten. Nach TOOREN & BRUIN (2004) ist es von allen Westfriesischen Inseln nachgewiesen.

Neophytische Lebermoose sind selten in Mitteleuropa, und umso überraschender ist der Nachweis von Lophocolea semiteres von Minsener Oog (KOPERSKI 2003), der zu den ersten in Deutschland überhaupt gehört. Aus Nordrhein-Westfalen liegen zwei weitere Funde bei Aachen und aus dem Kreis Kleve vor (BOMBLE 2003, FRAHM 2003). Nach FRAHM (2001) stammt die Art ebenfalls von der Südhalbkugel und wurde 1955 erstmals in Europa auf der englischen Kanalinsel Scilly gefunden. 1990 wurde sie aus Belgien gemeldet, von wo sie rasch in die Niederlande gelangte. Nach VAN TOOREN & BRUIN (2004) ist sie inzwischen von drei Westfriesischen Inseln bekannt. Die Art besiedelt bevorzugt saure und humose Standorte. Auf Minsener Oog wuchs sie in einem Rasen von Campylopus introflexus (s. KOPERSKI 2003).

Präsenz von Moosen in den verschiedenen Insel-Lebensräumen

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Hypnum cupressiforme var. lacunosum ist ein charakteristisches Moos der Graudünen, es kann mitunter große Decken zwischen Gräsern und Zwergsträuchern bilden. Das relativ kräftige Moos fällt vor allem durch seine goldbraun glänzenden Farbtöne auf (Foto: T. Homm, Juist).

Moose besiedeln sämtliche terrestrischen und limnischen Lebensräume, mit Ausnahme der Bereiche der Vordüne und der wenig verfestigten Weißdüne sowie der stärker salzbeeinflussten Watt- und Sandflächen. Die höchsten Artenzahlen werden in den feuchten Dünentälern und im Siedlungsbereich (verbautes Gestein, Gärten- und Grünanlagen, Siedlungsgehölze) erreicht. Besonders artenreich sind die Dünenheiden sowie Kleingewässer und Gehölze im feuchten Dünental. Hohe Artenzahlen sind auch in den naturnahen Holunder- Gebüschen, sonstigen Gehölzen und den Graudünengrasfluren festzustellen. Eine geringere Artenzahl, die sich jedoch v.a. aus Arten mit besonderen Standortansprüchen ergibt, weist die obere Salzwiese auf (z.B. Amblystegium serpens, Bryum calophyllum, Desmatodon heimii, Didymodon tophaceus und Weisia controversa)

Eine Verteilung der einzelnen Arten auf die verschiedenen Inselhabitate (z.B. Graudüne, Buschdüne, Wald, Siedlungsbereich) ist differenziert nach Schwerpunktvorkommen exemplarisch für Juist in HOMM et al. (1994) dargestellt.

Dynamik und Kontinuität der Moosflora der Inseln

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Racomitrium canescens, die Graue Zackenmütze, ist ein charakteristisches Laubmoos von Magerrasen auf noch kalkhaltigen Dünensanden. Auf den Inseln tritt es zertreut in meist kleinen Beständen auf. Die Blätter sind mit breiten Glasspitzen versehen und lassen die Bestände z.T. wie mit Reif bedeckt aussehen (Foto: T. Homm, Juist).

Die Entfernung zum deutschen bzw. westeuropäischen Festland stellt nur für wenige Arten, die ausschließlich über große Verbreitungseinheiten (im oder am Boden gebildete größere Brutkörper bzw. Sporen) verfügen und/oder die in Westeuropa sehr selten Sporophyten ausbilden, ein Hindernis bei der Besiedlung der Inseln dar. Ein Großteil der Moosarten ist aufgrund der geringen Größe und hohen Mobilität der Verbreitungseinheiten auch über weite Strecken in der Lage, geeignete Standorte im Laufe der Zeit zu besiedeln. Das Arteninventar spiegelt damit vor allem das verwirklichte Standortangebot auf den Inseln wider. In dem Maße, wie sich die Biotopausstattung einer Insel im Laufe der Zeit verändert, weist auch die Moosflora eine mehr oder minder starke Dynamik in der Artenzusammensetzung auf. Dies konnten HOMM et al. (1994) exemplarisch für die in Abständen wiederholt moosfloristisch untersuchte Insel Juist aufzeigen: Kumulativ gesehen stieg die Moosartenzahl mit der Zeit zwar an (von 67 Sippen um ca. 1900 auf 139 Sippen im Jahr 1994), doch betrug der Anteil der kontinuierlich über einen langen Zeitraum wiederholt beobachteten Arten nur etwa 20 % des kumulativen Gesamtartenbestandes. Im Wesentlichen weisen die Arten der Dünengrasfluren und Dünenheiden eine hohe Kontinuität auf.

Seit 1980 sind unter Bereinigung von taxonomischen Neubewertungen 24 Arten neu für die Ostfriesischen Inseln festgestellt worden. Dieses Ergebnis lässt auf eine deutliche Zunahme der Artenzahlen für die gesamte Inselgruppe in den letzten Jahrzehnten schließen. Die Neuzugänge besiedeln vor allem Erde, Humus, Rinde und Totholz der größer und älter werdenden Wälder und Gebüsche und entkalkte Dünenstandorte (z.B. Vertreter der Gattungen Orthotrichum und Plagiothecium, Herzogiella seligeri, Dicranum majus, vgl. RÖLLER 1999) sowie anthropogene Gesteins- und Ruderalstandorte (z.B. Arten der Gattungen Didymodon, Pseudocrossidium, Tortella und Tortula, vgl. KOPERSKI 1998). Den neu dazu kommenden Arten stehen solche gegenüber, die seit längerer Zeit überhaupt nicht mehr nachgewiesen werden konnten. So sind allein 13 Arten nach 1900 auf keiner Insel mehr gefunden worden. Hierzu gehören Moerckia hibernica, Preissia quadrata, Helodium blandowii und Scorpidium scorpioides, die in lichtoffenen, basenreichen aber nährstoffarmen feuchten Dünentälern zu finden waren. Eine ähnliche Dynamik wird auch für die Westfriesischen Inseln beobachtet (VAN TOOREN & BRUIN 2004).

Für die festgestellte Dynamik kommen folgende Ursachen in Betracht:

Probleme bei der Bewertung der Veränderungen im Artenbestand enstehen durch die Heterogenität des Datenmaterials. Dies ist bedingt durch unterschiedliche Erfassungsmethoden der Bearbeiter (Schwerpunkte bei der Flächen- und Habitatauswahl, Kartierungsintensität). So konnten im Zuge der intensiven Bearbeitung der Empetrum-Heiden durch MÜHL (1993) Barbilophozia barbata und Ptilidium ciliare (letztere auf vier Inseln) erstmalig nachgewiesen werden.

Welche Neufunde allein für eine einzige Insel möglich sind, zeigt die langjährige Erfassung von RÖLLER (1999) auf der Insel Spiekeroog, wo allein 62 Arten erstmalig nach 1980 nachgewiesen wurden.

Einige "kartierungskritische" Arten treten nur saisonal auf oder sind nur zu bestimmten Jahreszeiten anhand reifer Sporenkapseln zu bestimmen (z.B. viele Bryum-Arten). Einzelne Abweichungen ergeben sich auch durch sich verändernde taxonomische Konzepte.

Für viele Inseln liegen nur unsystematische oder fragmentarische Bestandserhebungen vor. Insgesamt bedarf die Erforschung der Moosflora der Ostfriesischen Inseln weiterer Untersuchungen, um die Entwicklung der Moosflora vor dem Hintergrund sich verändernder Nutzungen, des Landschaftswandels und neuerdings auch der Klimaveränderungen bewerten zu können.

Kontaktadresse:

Dipl.-Biol. Dipl.-Ing. Thomas Homm
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Stand: 12/2009