Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Insel-Entstehung

Die Gezeiten

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Limikolen durchsuchen bei Ebbe den freigelegten Sandboden vor der Kachelotplate. Von Wattenbildung kann man hier zwar noch nicht sprechen, aber trotzdem ist der Boden schon voller Leben (Foto: T. Lieckweg, 2007)

Der Lebensraum Wattenmeer und damit auch die aufgespülten Düneninseln konnten überhaupt erst aufgrund der Gezeiten entstehen. Durch ein Wechselspiel der Anziehungskräfte von Sonne, Erde und Mond kommt es täglich zu sichtbaren Massenverschiebungen der Meere, die wir Ebbe und Flut nennen.

Die Anziehungskraft des Mondes sorgt dafür, dass es auf der dem Mond zugewandten Seite der Erde zu einem Fluthügel kommt. Da sich aber in der Umlaufbahn des Mondes die Anziehungskraft der Erde (Gravitation) und Fliehkraft des Mondes aufheben (d.h. gleich stark sind, sonst würde der Mond zur Erde stürzen), kommt es auf der dem Mond abgewandten Seite ebenfalls zu einer Flut, die hier aber geringer ausfällt aufgrund der irdischen Fliehkraft (Zentrifugalkraft).

Da sich die Erde einmal täglich um ihre eigene Achse dreht und sich der Mond in dem längeren Zeitraum eines Monats um diese dreht, gibt es täglich zweimal eine Tide: von Hochwasser zu Niedrigwasser und umgekehrt. Je nach Stand der Gestirne gibt es noch die monatliche Spring- und Nipptide.

Morphologische Entwicklung von Düneninseln

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Die fast unbewachsenen Sandflächen der Kachelotplate wirken lebensfeindlich und werden regelmäßig von Sturmfluten überflutet, die Sand und Pflanzen mit sich reißen (Foto: T. Lieckweg, 2007)

Die Inseln vor der ostfriesischen und oldenburgischen Nordseeküste bestehen aus feinen Sanden, die im Zusammenspiel von Meeresströmungen und westlichen Winden zu Dünen aufgetürmt wurden. Sie haben sich im ausgehenden Subboreal, seit ca.1200 v. Chr., vom Entwicklungsstadium periodisch überfluteter Sandplaten zu teilweise hochwasserfreien Strandwällen bis hin zum Endstadium Dünen tragender Inseln entwickelt. Ein Vorgang, der auch heute noch stattfindet (z.B. Kachelotplate).

Dort wo die Watten an das tiefere Wasser des Sublitorals anschließen, führt die Brandung der offenen See Sande an die Wattkante heran. Im Laufe der Zeit entsteht eine Brandungssandkante, welche bei Sturmflut weiter zur Sturmflutbrandungskante aufgehöht wird. Wenn die Brandungsbank so hoch aufragt, daß sie auch beim mittleren Tidehochwasser (MTHw) trocken fällt, wird der Sand windbeweglich.

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Primäre Dünenbildung auf der Kachelotplate. Im Schutz der Pflanzen können die Dünen wachsen, eine Insel entsteht (Foto: T. Lieckweg, 2007)

Die aufgewehten Sande breiten sich aus und wachsen zusammen, so daß sich eine über MTHw aufwachsende Schwemmsand-Plate bildet, die nur noch von Sturmfluten überströmt wird. In deren Schutz können sich nun auf der Südseite der jungen Insel durch Schlicksedimentation schlickreiche Inselschutzwatten etablieren. Mit weiteren Sandanwehungen entstehen auf der Schwemmsand-Plate kleine unbewachsene und vergängliche Embryonaldünen, die hakenartig geformt sind. Oberhalb der Springflut-Hochwasserlinie folgen niedrige Vordünen (= Primärdünen), welche hauptsächlich von der Binsen- oder Strandquecke, Agropyron junceum, besiedelt sind. Die Strandquecke bildet Hindernisse, hinter denen sich weiterer Sand ablagern kann. Mit ihren sich rasch ausbreitenden Wurzeln festigt sie den Sand. Zeitgleich mit diesem Vorgang hat sich auch das Inselschutzwatt durch Aufschlickung bis direkt unter die MTHw-Linie aufgehöht, so daß sich Quellerfluren der Thero-Salicornieta ansiedeln können.

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Sandfestlegung durch Strandhafer, Ammophila arenaria, damit kann die Bildung von Sekundärdünen folgen (Foto: Baum/Karthäuser, Juist 2005)

Die Vordünen können sich im Laufe der Jahre weiter erhöhen und unter Ansiedlung des Strandhafers, Ammophila arenaria, zu Weißdünen (=Sekundärdünen) weiterentwickeln. Deren Wurzelraum befindet sich dann nicht mehr im Einflussbereich des Salz- und Brackwassers und durch Regenwasser wird nach und nach der salzhaltige Sand ausgewaschen. Durch die sich verdichtende Vegetation wird die Düne weiter stabilisiert. Hinter den Weißdünen können sich Graudünen und Braundünen befinden, die mit Dünengebüschen und -wäldern sowie den Dünentälern zusammen die Tertiärdünenlandschaft bilden. Diese älteren Dünen überstehen Sturmfluten und bilden so einen festen Inselkern.

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Zwei typische Arten der Salzwiesen: Strandflieder, Limonium vulgare und Strand-Beifuß, Artemisia maritima (Foto: Schieber/Neugart, Baltrum 2005)

Im Lee der jungen Insel bilden sich in dieser Phase die Salzwiesen in Form des rückseitigen Inselwatts. Die Inseldünen sind organogene Gebilde. Ohne Mitwirkung sandfestigender Salz- und Strandpflanzen wären die Inseln nie über das Stadium der unbewohnbaren dünenlosen Sandplaten hinausgekommen. Die Pflanzen haben mittels ihres Wurzelwerks die lockeren äolischen Sedimente fixiert und gegen Umlagerung oder Abspülung weitgehend geschützt.

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Strand von Wangerooge: Abfolge von Meer, Strand, Weiß- und Graudünen (Foto: Nielebock/Rath, 2005)

Düneninseln sind alle nach ähnlichem Prinzip aufgebaut: Seewärts ein vegetationsfreier Sandstrand; zur Inselmitte zwei oder mehr unterschiedlich ausgeprägte Dünenzüge: dabei stehen an erster Stelle die nur spärlich bewachsenen jungen Vor- und Weißdünen, dann ältere meist zu einer Landschaft zusammengewachsene Grau- und Braundünen mit den dazwischen liegenden Dünentälern; zum Wattenmeer hin schließen sich Salzwiesen an in Form des rückseitigen, schlickigen Inselwatts.

So führen die Dünenentwicklungsprozesse auch zu einer räumlichen Zonierung, bei der die ältesten Dünenbereiche innen und die jüngsten Entwicklungen außen liegen. Neben den "Dünenaufbauerscheinungen" kommt es natürlicherweise auch immer wieder zu "Dünenabbau", z.B. durch Erosion. Auf diese Weise unterliegen die Inseln einer ständigen Dynamik.

Natürliche dynamische Prozesse auf Düneninseln

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Eine Sturmfront zieht über die Inseln. Wind und Meer gestalten diesen Lebensraum (Foto: T.Lieckweg, 2007)

Die Ostfriesischen Inseln sind seit ihrer Entstehung von einer hohen Dynamik gekennzeichnet. Sie haben im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichtehäufig ihre Gestalt und sogar ihre Lage verändert. Diese natürlichen Prozesse finden dort, wo der Mensch sie nicht durch Küsten- und Dünenschutzmaßnahmen verhindert, auch heute noch statt.

Anhand alter Karten läßt sich erkennen, daß die Inseln z.T innerhalb weniger Jahrhunderte eine "Wanderbewegung" von West nach Ost durchgemacht haben: Dabei wurde Material an den Westköpfen durch Wind und Meer abgetragen, während an den Ost-Enden jeweils eine Anlagerung stattfand. Auf diese Weise "wanderte" z.B. die Insel Wangerooge in knapp drei Jahrhunderten einmal um ihre ganze Länge nach Osten. Auch die übrigen Inseln änderten ihre Form teilweise so stark, dass die Bewohner deswegen sogar manches Mal gezwungen waren, ihre Ortschaften zu verlegen.

Nicht nur die Natur selbst, auch der Mensch beeinflusste dabei diese Veränderungen der Inseln. Denn die vor ca. 1000 Jahren einsetzenden Deichbaumaßnahmen entlang der Küstenlinie hatten starken Einfluss auf die Watteinzugsgebiete und den Sedimenttransport im Wattenmeer, indem sie einen senkrecht zur Küste verlaufenden, landwärts gerichteten Sedimenttransport verursachten. So verlängerte sich z.B. Spiekeroog als Folge der Harle-Eindeichung. Neben diesen Abbrüchen und Anlagerungen von Sedimentmaterial kam es auch immer wieder vor, dass es auf den Inseln zu ganzen Durchbrüchen der Dünenzüge kam, wie 1651 als die "Petriflut" Juist in zwei Teile zerriss.

Doch mit der Zeit wussten die Menschen ihren Lebensraum immer besser gegen die Naturgewalten zu verteidigen, und mit Schutzbauwerken werden seitdem die Sandbewegungen an den wichtigen Stellen gestoppt oder zumindest stark verlangsamt. Zusätzlich wird mit künstlichen Dünenzügen oder auch Buhnen oder Lahnungen vorhandenes Material geschützt oder die Anlagerung von neuen Sedimenten gefördert (Inselschutz).

Basierend auf einem Artikel von:

Dipl.-Biol. Kirsten Heine
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Dipl.-Landschaftsökol. Petra Eggers
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Stand: 02/2009