Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Floristische und faunistische Erforschung der Ostfriesischen Inseln

Aufgrund der Attraktivität der Ostfriesischen Inseln als Urlaubsziel und ihrer natürlichen Begrenzung bestand bei den Botanikern schon früh das Interesse an der floristischen Erforschung (vgl. Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Flechten).

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Sand-Segge, Carex arenaria (Foto: Schieber/Neugart, Baltrum)

Anfang des 19. Jahrhunderts begann man zunächst mit der floristischen Erforschung der Insel Norderney. Schon wenige Jahrzehnte später gab es auch von den übrigen Inseln z.T. umfangreiche Daten. Die ersten zusammenfassenden Artenlisten, die bereits weitgehend vollständige Floren der 7 alten Inseln dokumentieren, stammen von EILKER (1884). Ab den 1870er Jahren veröffentlichten der Bremer Lehrer F.G.P. Buchenau und der ebenfalls in Bremen ansässige Arzt W.O. Focke zahlreiche Arbeiten zur Flora der Ostfriesischen Inseln. Die Zusammenfassung der floristischen Daten erfolgte in der "Flora der Ostfriesischen Inseln" ab 1880 in mehreren aktualisierten Auflagen (BUCHENAU 1881-1906).

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts galt die floristische Erfassung der Farn- und Blütenpflanzen der Ostfriesischen Inseln als weitgehend abgeschlossen. Es erschienen nur noch wenige floristische Arbeiten, zumeist Nachträge oder überarbeitete Neuauflagen oder spezielle Bearbeitungen der jungen Inseln. Hinzu kamen Untersuchungen zur Verbreitung der Algen, Pilze, Moose und Flechten. In der Folgezeit wurden v.a. Untersuchungen mit vegetationskundlichen oder geoökologischen Schwerpunkten durchgeführt. Hervorzuheben sind v.a. die Vegetationskartierungen von R. Tüxen und Mitarbeitern in den Jahren 1948 und 1949, die als handkolorierte Vegetationskarten von allen großen Ostfriesischen Inseln vorliegen (vgl. PETERSEN & POTT 2005). Den Stand der floristischen Erhebungen der Farn- und Blütenpflanzen in Nordwestdeutschland einschließlich der Ostfriesischen Inseln bis Ende der 1960er Jahre lieferte VAN DIEKEN (1970).

Durch den Start des niedersächsischen Pflanzenarten-Erfassungsprogramms zu Beginn der 1980er Jahre (HAEUPLER & GARVE 1983) wurden auch auf den Ostfriesischen Inseln wieder verstärkt floristische Kartierungen durchgeführt. Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang die von Mitte der 1970er Jahre bis Ende der 1990er kontinuierlich auf allen Inseln durchgeführten floristischen Erhebungen von H. Kuhbier aus Bremen. Die Zusammenstellung der bis Anfang der 1980er Jahre erhobenen Daten erfolgte für die Farn- u. Blütenpflanzen bei PRINS et al. (1983), für die Moose bei DURING et al. (1983) und für die Flechten bei BRAND & KETNER-OOSTRA (1983). Im Wesentlichen auf diesen Daten basieren die Angaben zum Erstnachweis der Farn- und Blütenpflanzen aller Inseln bei BRÖRING et al. (1993). In dieser Arbeit wird außerdem durch Auswertung von über 800 Arbeiten ein umfassender Überblick über den Forschungsstand auf den Ostfriesischen Inseln (Schwerpunkt Spiekeroog) im Hinblick auf botanische (und z.T. bodenkundliche) Fragestellungen gegeben. In diesem Zusammenhang sei auf die umfangreichen vegetationskundlichen Kartierungen und geobotanischen Untersuchungen aus der Arbeitsgruppe Geobotanik an der Universität Hannover unter der Leitung von Prof. Dr. R. Pott hingewiesen, die seit den 1990er Jahren auf den alten Inseln durchgeführt werden (vgl. u.a. POTT 1995, PETERSEN & POTT 2005).

Die ersten Punkt-Rasterkarten von den Ostfriesischen Inseln liefert der "Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland" (HAEUPLER & SCHÖNFELDER 1988) auf der Basis eines Rasters von ca. 10 x 10 km. Im "Atlas der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen in Niedersachsen und Bremen" (GARVE 1994) werden die Kartierungsergebnisse von 1982 bis 1992 auch für die Ostfriesischen Inseln als Punkt-Rasterkarten auf der Basis von ca. 5 x 5 km dargestellt. Sämtliche bis zum Jahr 2003 gewonnenen Daten sind im "Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Niedersachsen und Bremen" (GARVE 2007) zusammengetragen und als Rasterkarten dokumentiert, so auch die Daten der Farn- und Blütenpflanzen der Ostfriesischen Inseln.

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Der Juister Lehrer und Naturforscher Otto Leege (1862-1951), betrat 1888 zum ersten Mal den Memmertsand. Durch seine Initiative wurde die Insel am 31. Juli 1907 zur Vogelkolonie erklärt. Otto Leege wurde zum Bevollmächtigten bestellt (Foto: Archiv P. Janiesch).

Die faunistische Erforschung der Ostfriesischen Inseln begann erst ein halbes Jahrhundert nach den ersten floristischen Arbeiten. Zumeist handelt es sich um Aufzeichnungen zur Avifauna: Im Jahr 1869 veröffentlichte der bekannte Ornithologe Ferdinand Freiherr VON DROSTE-HÜLSHOF eine umfassende Zusammenstellung der Vogelwelt der Insel Borkum, gefolgt von einem umfassenden Werk Otto Leeges zur Vogelwelt der Ostfriesischen Inseln im Vergleich mit dem übrigen südlichen Nordseeraum (LEEGE 1905).

Aber auch andere Tiergruppen (v.a. Insekten) waren bereits Gegenstand von Untersuchungen auf den Inseln, sodass gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits über 50 Arbeiten vorlagen. Durch z.T. umfangreiche Sammeltätigkeiten von Johann Diedrich Alfken (1862-1945), Otto Leege (1862-1951), A. Metzger, C. Verhoeff und W. Hess lagen besonders für die Inseln Juist, Norderney und Spiekeroog zahlreiche Daten v.a. zur Schmetterlings-, Käfer- bzw. Hymenopterenfauna - speziell auch zur Biologie von Küstenarten - vor. Den Versuch einer vollständigen Inventarisierung der Gesamtfauna einer Insel unternahm als erster Oskar Schneider (1841-1903) auf Borkum: Von 1887 bis 1895 gelang es ihm unter Mithilfe zahlreicher Experten bei der Bestimmung des gesammelten Materials über 2.800 Arten von Säugern über Vögel, Insekten und Spinnen bis hin zu den Weichtieren und Würmern nachzuweisen (SCHNEIDER 1898: 9). Somit waren zur Jahrhundertwende etwa 3.400 Tierarten von den Ostfriesischen Inseln bekannt (ebd: 26).

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Professor Dr. Oskar Schneider (1841 - 1903) unternahm Ende des 19. Jahrhunderts als erster den Versuch, die gesamte Fauna einer Insel zu erfassen. Unter Mithilfe zahlreicher Spezialisten gelangen ihm für die Insel Borkum Nachweise von über 2.800 Arten aus dem gesamten Tierreich (Foto: Archiv F. Struve, Landesmuseum Münster).

Hintergrund und Motivation der ersten systematischen Erhebung durch O. Schneider war, die vermeintliche "Artenarmut" von Inseln zu widerlegen - damals eine brisante Frage im Kontext der von Darwin und Wallace entwickelten Evolutionsbiologie und eine auch für die Ostfriesischen Inseln von verschiedenen Wissenschaftlern postulierte These. Schneider schließt seine Einleitung mit den Sätzen: "Lassen wir nun zur Lösung der strittigen Frage, ob die ostfriesischen Inseln tierarm seien oder nicht, die von uns beobachteten Thatsachen sprechen" (ebd.: 8).

Im Zeitraum 1932 bis 1947 führte Fritz Struve (1900-1991) zusammen mit seinem Vater Richard (1873-1959) auf Borkum die Arbeit von O. Schneider fort. Sie konzentrierten sich dabei auf die Insektenfauna und erzielen unter Mithilfe zahlreicher Spezialisten über 2.000 Erstmeldungen für diese Insel. Nur ein Teil der Ergebnisse ist bis heute publiziert: F. und R. Struve selbst veröffentlichten 13 Arbeiten, v.a. in den Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. In jüngerer Zeit wurden auf der Grundlage des größtenteils erhaltenen Sammlungsmaterials sowie der umfangreichen handschriftlichen Notizen und Tagebuchaufzeichnungen (alles im Westfälischen Landesmuseum für Naturkunde in Münster) zahlreiche Insektengruppen erstmalig bearbeitet und veröffentlicht (alle Arbeiten und Ergebnisse in diesem Band).

Neben Borkum lag ein zweiter Schwerpunkt der in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durchgeführten faunistischen Untersuchungen auf den kleinen und jungen Inseln Memmert und Mellum, die sich erst mit Beginn des letzten Jahrhunderts zu hochwassergeschützten Düneninseln entwickelt hatten. Hier sind besonders die Arbeiten von ALFKEN (1924, 1930) mit entomologischem sowie von LEEGE (1935) und GOETHE (1939) mit ornithologischem Schwerpunkt hervorzuheben.

Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts stieg die Anzahl der Publikationen zur Fauna der Ostfriesischen Inseln (inkl. jüngerer Arbeiten, in denen das Struve-Material aus den 1930er Jahren erstmals publiziert wurde) auf fast 200 an (vgl. BRÖRING et al. 1993). Die Zahl der nachgewiesenen Arten erhöhte sich damit auf etwa 5.500. Der Stand der Untersuchungen hinsichtlich der einzelnen Inseln und der jeweiligen Tiergruppen blieb allerdings sehr heterogen.

Von Anfang der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre wurden auf den Ostfriesischen Inseln faunistische Untersuchungen nicht systematisch durchgeführt. Lediglich vereinzelte Neufunde wurden registriert. Erst nach Gründung der Universität Oldenburg im Jahr 1973 und der Etablierung der Arbeitsgruppe Terrestrische Ökologie wurden die Untersuchungsaktivitäten auf den Inseln wieder verstärkt. Durch zahlreiche Untersuchungen verschiedener Arthropodengruppen (u.a. Spinnen, Libellen, Hautflügler, Wanzen, Zikaden, Käfer) wurden Erfassungslücken geschlossen und unter verschiedenen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Inselbiogeographie (MAC ARTHUR & WILSON 1967 u.a.) ausgewertet (vgl. Zusammenstellung der Publikationen bei RITZAU & PLAISIER 1992). Ein von 1984-86 laufendes Forschungsprojekt zum Kolonisationsgeschen auf den jungen Düneninseln Memmert und Mellum (vgl. HAESELER 1988) lieferte umfassendes Datenmaterial zu zahlreichen Tiergruppen, das in insgesamt 24 Einzelbeiträgen veröffentlicht wurde (MEYER & HAESELER 1988).

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Einbringung von Bodenfallen zur Erforschung der Laufkäfer-Fauna auf Langeoog (Foto: T. Lieckweg, 2006)

Bis Anfang der 1990er Jahre hat sich das Aufkommen an faunistischen Publikationen mit fast 400 Titeln nahezu verdoppelt; die Zahl der nachgewiesenen Arten erhöhte sich auf ca. 7.000 Arten. Auf dieser Grundlage wurde der Forschungs- und Erfassungsstand bei BRÖRING et al. (1993) im Rahmen der Ökosystemforschung Niedersächsisches Wattenmeer (Terrestrische Systeme) dokumentiert und ausgewertet. Diese umfangreiche Zusammenstellung, in der die Literaturangaben allerdings oft nur unkommentiert aus der Literatur übernommen werden konnten, bildete die Basis des jetzt vorliegenden kritisch überarbeiteten und aktualisierten Artenkatalogs.

In den letzten 15 Jahren erfolgten auf der gesamten Inselkette oder auf einzelnen Inseln über 50 weitere Untersuchungen zur Fauna. Sie tragen zu einer erheblichen Erweiterung des Kenntnisstandes der auf den Ostfriesischen Inseln lebenden Tiere bei. Hervorzuheben sind eine erneute umfangreiche Erfassungskampagne auf Memmert und Mellum 1994-95, eine flächendeckende Erhebung der Limnofauna von 1992-1994 sowie 5 Dissertationen (1991-2001) und zahlreiche Diplomarbeiten. Die neuen Daten betreffen v.a. die Tiergruppen Land- und Süßwassermollusken, Spinnen, Libellen, Laufkäfer, phytophage Käfer, Kurzflügelkäfer, Wasserkäfer, Wanzen, Zikaden, Pflanzenwespen, Bienen und Wespen, Großschmetterlinge, Köcherfliegen, Schwebfliegen sowie andere Zweiflügler. Die Fülle neuer Daten war Anlass für die jetzt vorliegende aktualisierte Bearbeitung der Fauna der Ostfriesischen Inseln.

Basierend auf einem Artikel von:

Dr. Rolf Niedringhaus
Prof. Dr. Volker Haeseler
Prof. Dr. Peter Janiesch
Carl-von-Ossietzky-Universität
Fakultät V, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
D-26111 Oldenburg
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Stand: 02/2009