Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Rädertiere der Ostfriesischen Inseln

(Rotifera)

Zusammenfassung

Die Rotiferengemeinschaft der Ostfriesischen Inseln ist nur lückenhaft bekannt. Die einzige bisherige Untersuchung, bei der Moose in den Dünenregionen und das Grundwasser auf Norderney und Langeoog untersucht wurden, erbrachte den Nachweis von 8 Arten aus 8 verschiedenen Gattungen.

Summary

The rotifers of the East Frisian islands (Rotifera). - Knowledge about the rotifer fauna of the East Frisian Islands remains fragmentary. As yet, a single investigation has been conducted involving moss cushions in coastal dunes and groundwater (waterworks abstraction filters), which yielded a total of eight rotifer species out of eight genera.

Was sind... Rädertiere?

Der Körper eines Rädertieres (Rotifera, Gnathifera) gliedert sich in Kopf, Rumpf, Fuß und Zehen (AHLRICHS 2002, KOSTE 1978, LORENZEN 1996). Der Kopf trägt einen vielfältig gestalteten Wimperapparat (Räderorgan), der im lebenden Zustand den ersten Mikroskopikern wie ein sich drehendes Rad erschien und den Rädertieren ihren Namen gab (Rotifera, von lat. "rotum - ferre", "Rad - tragen"). Das Räderorgan dient der Nahrungsaufnahme und der Fortbewegung. Trotz ihrer geringen Größe von 100 µm bis maximal 1,5 mm sind Rädertiere hochdifferenzierte Metazoen mit deutlich voneinander abgrenzbaren Organsystemen. Das Verdauungssystem gliedert sich in Mund, Pharynx, Magen, Intestinum und After. In einer taschenförmigen Aussackung des muskulösen Pharynx (Mastax) weisen die Rädertiere ein System harter Kieferelemente auf, die je nach Ernährungsweise unterschiedlich gebaut sind und ein wichtiges Merkmal für sichere Artdiagnosen darstellen.

Das Reproduktionssystem besteht aus einem Keimdotterstock (Germovitellarium), bei dem die im Laufe des Lebens heranreifenden Eizellen dem Dotterstock mit seinen großen, unter dem Mikroskop sofort auffallenden Kernen als unauffällige Kappe aufsitzen. Der Exkretion und Osmoregulation dient ein Protonephridialsystem, das den gebildeten Harn über eine kontraktile Blase in eine Kloake abgibt. Die Muskulatur der Rotiferen setzt sich aus Körper- und Eingeweidemuskulatur zusammen. Neben äußeren Ringsystemen treten weiter innen liegende Längsmuskelzüge auf, die als Rückzieher des Räderorgans und des Fußes dienen. Die Epidermis weist eine Verdichtung innerhalb des Cytoplasmas auf. Je nach Ausprägung dieser Verdichtung ist der Rädertierkörper flexibel und weichhäutig (illoricat) oder versteift und gepanzert (loricat).

Vertreter der Monogononta, der artenreichsten Teilgruppe der Rädertiere, zeigen einen heterogenetischen Lebenszyklus. Hierbei wechseln sich eingeschlechtliche, parthenogenetische Fortpflanzung über unbefruchtete, diploide Subitaneier und zweigeschlechtliche Fortpflanzung über haploide, befruchtete Eier ab. Die diploiden Subitaneier ermöglichen durch ihre rasche Entwicklung ein explosionsartiges Anwachsen von Populationen. Die haploiden Eier werden befruchtet und überdauern im Sediment lange Perioden ungünstiger Bedingungen. Bei vielen Arten der Rädertiere sind die Männchen gegenüber den Weibchen mehr oder weniger stark verzwergt und in ihrer inneren Organisation reduziert. Vertreter der Teilgruppe Bdelloida pflanzen sich ausschließlich parthenogenetisch fort; Männchen sind bisher nicht beobachtet worden. Sie können ungünstige Milieubedingungen unter Ausbildung resistenter Stadien überdauern.

Rädertiere haben im Laufe ihrer Stammesgeschichte ein sehr unterschiedliches Nahrungsspektrum erschlossen. Die Vielfalt der Ernährungsweisen korreliert mit einer Vielfalt unterschiedlicher Kiefertypen und ist mitverantwortlich für den ökologischen Erfolg der Rädertiere. Viele Arten leben als Strudler, die mit Hilfe ihres Räderorgans feinste Nahrungsbestandteile aus dem Wasser filtrieren und mit ihren mahlenden Kiefern zerreiben. Manche Arten haben sich auf bestimmte Algen spezialisiert, die sie ergreifen, anstechen und aussaugen können. Eine andere Gruppe lebt räuberisch und erbeutet mit zahnbesetzten, ausstoßbaren Kiefern Einzeller, kleine Fadenwürmer und andere Rädertiere.

Einleitung

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Auf den Ostfriesischen Inseln zu erwartende, ca. 0,5 mm große Vertreter limnischer Rädertiere aus der Gruppe der Monogononta: links unten: Encentrum felis Müller, 1773 (freilebend); links oben: Euchlanis dilatata Ehrenberg, 1832 (freilebend); rechts: Brachionus calyciflorus Pallas, 1776 (freilebend) (O. Riemann, verändert nach STREBLE & KRAUTER 2002).

Rädertiere sind eine kosmopolitische Gruppe mikroskopisch kleiner Metazoen mit bisher über 2000 beschriebenen Arten (davon ca. 1500 auch in Deutschland), die in verschiedensten aquatischen Lebensräumen zu finden sind (NOGRADY et al. 1993).

Die größte Vielfalt unterschiedlicher Rädertierarten und Lebensformtypen findet man in limnischen Gewässern. Vertreter mehrerer Gattungen, darunter Keratella Bory de St. Vincent, 1822, Asplanchna Gosse, 1850, Synchaeta Ehrenberg, 1832 und Polyarthra Ehrenberg, 1834, zählen zu den charakteristischen Zooplanktern stehender Gewässer (RUTTNER-KOLIS-KO 1972) und können unter günstigen Lebensbe-dingungen gewaltige Populationen auf-bauen. Neben dem freien Wasserkörper wird das Pflanzendickicht (Periphyton) von einer großen Artenfülle besiedelt. Auch im Lückensystem der Ufersande, dem Interstitial, findet man Rädertiere. Manche Arten leben sogar in feuchten Moosen, Flechtenpolstern und im was-sergefüllten Porenraum der Böden. In marinen Lebensräumen ist die Artenvielfalt geringer, doch auch hier treten Rädertiere sowohl planktisch, periphytisch als auch interstitiell auf.

Vorläufiger Datenbestand auf den Ostfriesischen Inseln

Bisher liegt nur eine einzige Studie zur Rotiferengemeinschaft auf den Ostfriesischen Inseln vor, durch die die Grundwasserfauna der Inseln Norderney und Langeoog untersucht wurde (GAD 2003). Neben filtriertem Grundwasser, das aus der Süßwasser führenden Grundwasserlinse gefördert wurde, erfolgte eine stichprobenartige Untersuchung von feuchten Moospolstern der Dünenregion und verschiedener Kleingewässer. Im Rahmen dieser Studie wurden 8 Rädertierarten aus 8 Gattungen festgestellt, darunter Rotaria rotatoria (Pallas, 1776), Lepadella patella (Müller, 1772) und Mniobia magna (Plate, 1889).

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Auf den Ostfriesischen Inseln zu erwartende Vertreter aus der Gruppe der Monogononta: links: Stephanoceros fimbriatus Goldfusz, 1820 (sessil mit Reusenapparat) und der Gruppe der Bdelloidea: rechts: Philodina citrina Ehrenberg, 1832 (freilebend) (O. Riemann, verändert nach STREBLE & KRAUTER 2002).

Allerdings ist zu bedenken, dass mit dieser Untersuchung nur ein winziger Ausschnitt der tatsächlichen Artenvielfalt limnischer Rädertiere erfasst wurde. Gerade vor dem Hintergrund einer Vielzahl kleinräumig strukturierter Gewässer auf den Ostfriesischen Inseln (NIEDRINGHAUS et al. 1999) werden künftige systematische Studien die Zahl der nachgewiesenen Arten mit Sicherheit bedeutend erhöhen.

Basierend auf einem Artikel von:

Ole Riemann
Dipl.-Biol. Alexander Kieneke
Dr. Wilko H. Ahlrichs

Carl-von-Ossietzky-Universität
Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
AG Zoosystematik und Morphologie
D–26111 Oldenburg
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Stand: 02/2009