Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Bauchhaarlinge
der Ostfriesischen Inseln

(Gastrotricha)

Zusammenstellung des Artenbestandes
anhand von Literaturdaten

Zusammenfassung

Bisher wurden lediglich das Grundwasser und feuchte Dünenmoose der Inseln Langeoog und Norderney auf Gastrotrichen untersucht. Hierbei konnten auf Langeoog zwei Süßwasserarten nachgewiesen werden.

Summary

Gastrotrich species of the East Frisian islands (Gastrotricha) - So far, only two records of freshwater gastrotrich species are available which have been collected from groundwater and humid bryophyte habitats on Langeoog Island.

Was sind... Bauchhaarlinge?

Die Bauchhaarlinge sind eine Gruppe aquatischer, vielzelliger Organismen, deren Vertreter ausschließlich der marinen und limnischen Meiofauna zuzuordnen sind. Sie besitzen eine Körpergröße von unter 1 mm und können von einem Sieb mit der Porenweite von 63 µm zurückgehalten werden (GIERE 1993). Arten aus der Untergruppe Macrodasyida REMANE, 1925 sind fast ausschließlich im Meer zu finden, wo sie v.a. den mit Porenwasser gefüllten Lückenraum zwischen den Sandkörnern, das so genannte Mesopsammal (Sandlückensystem) besiedeln. Sande aus flachen Küstenabschnitten sind der bevorzugte Lebensraum. Es sind aber auch artenreiche Gastrotrichen-Gemeinschaften aus Wassertiefen von über 100 m bekannt (CLAUSEN 2000). Vertreter der zweiten Gruppe, der Chaetonotida REMANE, 1925, besiedeln neben den zuvor genannten marinen Sanden (z.B. MOCK 1979) auch das Sandlückensystem von Seeufern und Bachläufen. Darüber hinaus leben viele der etwa 200 in Mitteleuropa vorkommenden Süßwassergastrotrichen (alles Vertreter der Chaetonotida) auch auf schlammigen Sedimenten, wo z.T. starke Sauerstoffarmut toleriert wird, zwischen untergetauchten Wasserpflanzen oder auf nassen Ufermoosen (BALSAMO & TODARO 2002, SCHWANK 1990).

Gastrotrichen sind Organismen mit einem kompakt organisierten, wurmförmigen bis gedrungenen, leicht abgeplatteten Körper, der mit bauchseitigen Wimpernreihen ausgestattet ist (Name der Gruppe!), mit denen sie hervorragend auf dem Substrat gleiten können. Einige Arten befähigt die Bewimperung sogar zur schwimmenden Fortbewegung. Gastotrichen besitzen einen durchgehenden Darmkanal, der sich in ein vorderes, muskulöses Schlundrohr (Pharynx) und einen geraden Mitteldarm gliedert, an den sich bei manchen Arten ein kurzer, kutikularisierter Enddarm anschließt (LORENZEN 1996). Als Nahrung werden, transportiert durch die starke Saugwirkung des Pharynx, vor allem Bakterien, mikroskopische Algen, Kieselalgen und Flagellaten aufgenommen. Die Exkretion erfolgt bei den Gastrotrichen über ein oder mehrere Paare von Nierenorganen (Protonephridien). Die meisten im Meer lebenden Gastrotrichen (alle Macrodasyida und einige Chaetonotida) sind Zwitter, die neben den weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen auch so genannte akzessorische Reproduktionsorgane besitzen, die z.B. der Spermienübertragung und -speicherung dienen können.

Von den Süßwassergastrotrichen nahm man lange an, sie würden sich, ähnlich den Bdelloida unter den Rädertieren, rein parthenogenetisch fortpflanzen. Mittlerweile ist von vielen Arten bekannt, dass sie in einer speziellen Lebensphase rudimentäre Spermien ausbilden können. Wie diese Geschlechtszellen allerdings in den Fortpflanzungszyklus der Tiere eingebunden sind und z.B. der Rekombination des Erbgutes dienen, ist noch mehr oder weniger unbekannt.

Viele limnische Chaetonotida besitzen auffällige Kutikulargebilde, zumeist bestachelte oder gekielte Schuppen, Platten oder sogar bewegliche Großstacheln. Die Kenntnis der Gestalt dieser in beeindruckender Vielfalt vorkommenden Bildungen ist von außerordentlich diagnostischem Wert und für eine sichere Bestimmung der Arten unverzichtbar. Die nach wie vor umfassendste taxonomische Bearbeitung der Süßwassergastrotrichen mit umfangreichen Bestimmungsschlüsseln liegt in dem Werk von SCHWANK (1990) vor.

Einleitung

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Der auf den Ostfriesischen Inseln zu erwartende, im Süßwasser lebende Bauchhaarling Polymerurus nodicaudus Voigt, 1901: obere Hälfte: Ventralansicht, untere Hälfte: innere Organisation (A. Kieneke, verändert nach SCHWANK 1990).

Die mikroskopisch kleinen Bauchhaarlinge (Gastrotricha) sind typische Elemente der Fauna der Gewässerböden und der Planzengürtel (Phytal) stehender Gewässer. Hier spielen sie vermutlich eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen den makroskopischen und mikrobiellen Stoff- und Energiekreisläufen (BALSAMO & TODARO 2002). Aufgrund von Schwierigkeiten bei der taxonomischen Bearbeitung bleiben Gastrotrichen in faunistisch-ökologischen Studien überwiegend unberücksichtigt. Von den Ostfriesischen Inseln sind bisher nur zwei Arten bekannt (GAD 2003), obwohl eine wesentlich reichere Fauna vor allem in den Kleingewässern der feuchten Dünentäler zu erwarten ist.

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Ausgewählte, auf den Ostfriesischen Inseln im Süßwasser zu erwartende Vertreter der Bauchhaarlinge; von links nach rechts: Haltidytes festinans Voigt, 1909 (dorsal); Heterolepidoderma ocellatum Metschnikoff, 1865, (ventral); Chaetonotus euhystrix Schwank, 1990 (dorsal); Dasydytes ornatus Voigt, 1909 (dorsal) (A. Kieneke, verändert nach SCHWANK 1990).

Vorläufiger Datenbestand auf den Ostfriesischen Inseln

Das Vorkommen von Gastrotrichen der Süßgewässer auf den Ostfriesischen Inseln wurde bislang noch nicht gezielt untersucht. Bei einer Studie der Grundwasserfauna von Langeoog wurden zwei Gastrotrichenarten nachgewiesen, Heterolepidoderma majus REMANE, 1927 und Ichthydium EHRENBERG, 1830 spec. Die Tiere kamen auch im Moosrasen der Dünen vor und wurden daher nicht als eigentliche Grundwasserbewohner eingestuft (GAD 2003).

Da in den feuchten Dünentälern der Ostfriesischen Inseln vielfach Kleingewässer mit reichem Pflanzenbestand anzutreffen sind (POTT 1995) und es darüber hinaus viele künstliche Kleingewässer gibt (NIEDRINGHAUS et al. 1999), ist mit einem hohen Artenbestand an limnischen Gastrotrichen zu rechnen. Gerade pflanzenreiche Klein- und Kleinstgewässer zählen zu den bevorzugten Habitaten für Gastrotrichen (SCHWANK 1990). Einen Beleg von der Vielfalt, nicht nur unter den Gastrotrichen, in vergleichbaren Kleingewässern liefert das süddeutsche Simmelried (KREUTZ & FOISSNER 2006).

Basierend auf einem Artikel von:

Dipl.-Biol. Alexander Kieneke
Ole Riemann
Dr. Wilko H. Ahlrichs

Carl-von-Ossietzky Universität
Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
AG Zoosystematik und Morphologie
D–26111 Oldenburg
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Stand: 02/2009