Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Fadenwürmer der Küstendünen
der Ostfriesischen Inseln

(Nematoda)

Zusammenfassung

Die Nematodenfauna der Ostfriesischen Inseln ist kaum bekannt. Lediglich aus Dünen-Standorten von fünf Inseln wurden bisher ca. 95 Arten aus 56 Gattungen nachgewiesen.

Summary

The nematode fauna of coastal dunes of the East Frisian islands (Nematoda). - Very little is known about the nematode fauna of the East Frisian islands. Only from dune habitats of five islands approximately 95 species out of 56 genera have been identified.

Was sind... Fadenwürmer?

Fadenwürmer (Nematoda) haben, wie der deutsche Name sagt, einen lang gestreckten zylindrischen Körper. Dabei sind die frei lebenden Arten höchstens wenige Millimeter lang, während tier- (und human-) parasitische Arten mehrere Dezimeter bis über einen Meter messen können. Der Körper ist außen von einer elastischen Cuticula umgeben, die im Laufe des Lebens vier mal gehäutet wird. Darunter liegt die Epidermis, in die je ein dorsaler und ventraler Längsmuskelstrang eingelagert ist. Da Ringmuskeln fehlen, führt die abwechselnde Kontraktion der Längsmuskulatur zu der charakteristischen Schlängelbewegung der Nematoden.

Die meisten inneren Organe sind einfach strukturiert. Hingegen ist der Darmtrakt in mehrere Abschnitte unterschiedlicher Ausprägung gegliedert. Besonders die Mundhöhle weist eine vielfach familientypische Differenzierung in Anpassung an unterschiedliche Ernährungsweisen auf. Nematoden sind überwiegend getrenntgeschlechtlich, es gibt aber auch zwittrige und - bei Süßwasser- und Bodennematoden - parthenogenetische Fortpflanzung (S. LORENZEN in: WESTHEIDE & RIEGER 1996). Neben kurzlebigen Arten mit hoher Reproduktionsrate bei entsprechendem Nahrungsangebot gibt es langlebige mit niedriger Reproduktionsrate sowie Übergangsformen zwischen beiden Typen. BONGERS (1994) hat die Fadenwurm-Familien und -Gattungen entsprechend dieser unterschiedlichen Lebensstrategien in ein fünf-teiliges "colonizer-persister-System" eingeordet. Anhand des Anteils der einzelnen Lebensstrategie-Gruppen in einer Nematoden-Zönose lässt sich ein so genannter maturity-Index berechnen, der Auskunft über den Grad der Störung des jeweiligen Lebensraums gibt.

Die terrestrischen Fadenwürmer zählen wegen ihrer geringen Körpergröße zur Mikrofauna, zu der auch Wimpertiere sowie weitere Protozoen-Gruppen, Rädertiere (Rotatoria) und Bärtierchen (Tardigrada) gerechnet werden (SWIFT et al. 1979). Sie leben im Porenwasser des Bodens. Alle besitzen die Fähigkeit, Trockenperioden anabiotisch in Cysten zu überstehen. Außerdem sind sie in encystierter Form außerordentlich widerstandsfähig gegen extreme Temperaturen und leicht durch Wind über weite Entfernungen zu transportieren. Mit Siedlungsdichten von i.d.R. mehreren Millionen Individuen pro Quadratmeter bilden sie die individuenreichste Metazoengruppe im Boden (PETERSEN 1982, S. LORENZEN in: WESTHEIDE & RIEGER 1996).

YEATES et al. (1993) unterscheiden bei den bodenlebenden Fadenwürmern folgende familien- oder gattungsspezifischen Ernährungstypen:

  • Pflanzenfresser an Wurzelhaaren, Epidermiszellen u.a., die mit stilettförmigen Mundwerkzeugen angebohrt werden; z.T. ecto- oder endoparasitisch,
  • Pilzhyphenfresser, ebenfalls mit Stilett,
  • Bakterienfresser,
  • Substratfresser,
  • Räuber anderer Vertreter der Mikrofauna,
  • Fresser von einzelligen Algen, Pilzsporen und Hefezellen,
  • Allesfresser.

Die terrestrischen Nematoden nehmen damit sehr unterschiedliche Positionen im so genannten mikrotrophischen Nahrungsnetz des Bodens ein (HEAL & DIGHTON 1985).

Einleitung

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Pratylenchus penetrans (Cobb, 1917), Weibchen, ein ca. 0,4-0,8 mm großer, weltweit in gemäßigten Klimazonen verbreiteter herbivorer Nematode, der mit Hilfe seines Mundstachels Pflanzenwurzeln ansticht; auf den meisten alten Ostfriesischen Inseln in den Dünenbereichen nachgewiesen (M. Stoeckmann, verändert nach CORBETT 1973).

Die Nematoden sind eine der ökologisch diversesten und dem entsprechend in den unterschiedlichsten terrestrischen, limnischen und marinen Lebensräumen vorkommende Metazoen-Gruppe. Darüber hinaus gibt es unter ihnen zahlreiche Pflanzen- Tier- und Humanparasiten (S. LORENZEN in: WESTHEIDE & RIEGER 1996). Besonders die meist in hohen Individuenzahlen auftretenden terrestrischen Fadenwürmer werden vielfach als aussagekräftige Bioindikatoren genutzt (BONGERS 1994, BONGERS & BONGERS 1998, BONGERS & FERRIS 1999).

Die Nematoden-Fauna der Ostfriesischen Inseln ist bisher nicht systematisch erforscht worden. Die hier zusammengetragenen Befunde sind Nebenergebnisse zweier dünenökologischer Untersuchungen der letzten 10 Jahre.

Vorläufiger Datenbestand auf den Ostfriesischen Inseln

Unsere Kenntnis der Nematoden-Fauna der Ostfriesischen Inseln basiert bisher ausschließlich auf zwei Publikationen, der Dissertation von Katrin RIECK (2000), die im Zusammenhang mit vegetationsökologischen Untersuchungen auf Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge auch die Nematoden-Gemeinschaften unterschiedlich bewachsener Dünen untersuchte, und den in der Dissertation von Detlev HANDELMANN (2006) publizierten Befunden von Thiemo Klittmann zur Nematodenbesiedlung eines Dünenackers auf Norderney. In ökologisch orientierten Arbeiten werden Nematoden meist nur bis zur Gattung bestimmt, weil einerseits die Artdetermination schwierig und zeitaufwändig ist, andererseits aber auch auf dieser Ebene eine standortbezogene Analyse anhand morphologischer, biologischer und ökologischer Merkmale möglich ist (vgl. BONGERS & BONGERS 1998). Dementsprechend hat Rieck hauptsächlich die phytophagen Nematoden bis zur Art bestimmt; von den übrigen trophischen Gruppe "wurden nur einige leicht zu bestimmende Gattungen miterfasst". Hingegen hat Klittmann sich bemüht, alle von ihm gefundenen Arten eindeutig zu benennen.

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Tab. 1: Arten- und Gattungszahlen der auf den Ostfriesischen Inseln bis heute festgestellten Fadenwürmer.

Insgesamt sind in beiden Untersuchungen 95 Taxa nachgewiesen worden, von denen jedoch nur 10 Arten, darunter Alaimus primitivus, Wilsonema otophorum (de Man, 1880); Longidorus elongatus (de Man, 1876); Acrobeles ciliatus (Linstow, 1877), sowohl von Rieck als auch von Klittmann aufgeführt werden, obwohl beide sehr ähnliche Habitate untersucht haben. Dies ist vermutlich auf die partielle Selektivität der Bearbeitung bei Rieck und auf Unsicherheiten der Determination zurückzuführen. Wenn wir entsprechend dem weit verbreiteten Brauch nur die Anzahlen der auf den jeweiligen Inseln angetroffenen Gattungen vergleichen, ergibt sich ein anderes Bild: Die Zahlen der auf den fünf Inseln jeweils angetroffenen liegen mit 33-37 Gattungen sehr nahe beieinander (Tab. 1).

Allerdings werden nur 17 Gattungen von beiden Autoren aufgeführt. Insgesamt liegen die von den Ostfriesischen Inseln bisher bekannten Gattungszahlen etwas unter den von GORALCZYK (2002) in Küstendünen an der Westküste Jütlands gefundenen, nämlich in Weißdünen 49, in Graudünen 40 und Dünen-Kiefernwald 46 Gattungen. In verschiedenen beweideten und unbeweideten Grünländern im österreichischen Nationalpark Seewinkel stellte ZOLDA (2006) 31 bis 43 Nematoden-Gattungen fest.

Basierend auf einem Artikel von:

Prof. Dr. Gerhard Weidemann
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Stand: 02/2009