Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Gewässer (GEW)

Basierend auf einem Artikel von Rolf Niedringhaus

Einführung

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Hammersee auf Juist (Foto: V. Haeseler)

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Tab. 1: Gewässertypen auf den Ostfriesischen Inseln (Einteilung nach Salzgehalt).

Auf jeder Insel finden sich Gewässer verschiedener Ausdehnung und Ausprägung. Ihr Flächenanteil liegt allerdings bei nur 0,1 % der Gesamtfläche der Inselkette. Es handelt sich v.a. um kleine bis sehr kleine Gewässer zumeist anthropogenen Ursprungs, die durch ihre Lage auf dem Inselkörper z.T. dem Einfluss des Meerwassers ausgesetzt sind, sodass sich rein limnische bis stark brackige Tümpel unterscheiden lassen (Tab. 1).

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Tab. 2: Gewässertypen der Ostfriesischen Inseln (Einteilung v.a. nach topologischen, physiognomischen Gesichtspunkten und wasserchemischen Charakteristika).

Die Gewässer der Inselkette sind im Vergleich zu binnenländischen Gewässern oft sehr labil, d.h. sie unterliegen z.T. extremen Schwankungen hinsichtlich Wasserstand, Wasserchemismus, Vegetation und Fauna. In Anlehnung an eine Bestandsanalyse der Kleingewässer der Ostfriesischen Inseln in den 1990er Jahren (NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998) werden 6 Gewässertypen unterschieden (Tab. 2).

Standorte und Entstehung der Gewässer

Die süßen Stillgewässer auf den Inseln finden sich in den Graudünen (Täler, Wäldchen, Ortsbereiche) sowie im Innengroden. Die dem Meerwassereinfluss mehr oder weniger stark ausgesetzten Brackgewässer liegen in den Außengroden/Salzwiesen bis hin zu den Übergangsbereichen zur Graudüne. Es ist davon auszugehen, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen alle diese Gewässer anthropogenen Ursprungs sind. Sie dien(t)en als Löschteiche, Vieh-, Wild- oder Vogeltränken, in den Ortschaften als Park-, Zier- oder Fischteiche oder in der Vergangenheit zur Gewinnung von Eis ("Eisteiche"). Etliche Gewässer entstanden im Zuge von Baumaßnahmen (Sandentnahme, Deichbau). In den Grodengebieten und in den Ortschaften wurden Gräben bzw. Siele zur Ableitung von Regen- und Abwasser angelegt. Auf Wangerooge entwickelten sich aus Bombentrichtern des 2. Weltkrieges, die sich anschließend mit Wasser aus der Süßwasserlinse und Regenwasser füllten, zahllose, zumeist nur wenige Quadratmeter große Gewässerbiotope.

Ohne anthropogene Einwirkungen entstehen auf den Inseln an Stellen Tümpel, wo sich im Anschluss an Meereseinbrüchen oder Windausblasungen Wasser ansammelt. Diese "Gewässer" sind allerdings häufig nur für sehr kurze Zeit vorhanden und überdies fast immer stark brackig.

Hinsichtlich Wasserstand und -chemismus sind die Gewässer einerseits abhängig vom Verhältnis Niederschläge zu Verdunstung, andererseits von der Lage auf dem Inselkörper und von der Tiefe. Unter jeder Insel befindet sich eine Süßwasserlinse, deren Ausdehnung von der Inselgröße, den Niederschlagsmengen und in jüngerer Zeit auch verstärkt von der Wasserentnahme durch den Menschen abhängt. Diese Süßwasserlinse, die auf dem schwereren Meerwasser liegt, speist als "Grundwasser" die Inselgewässer. Bei Schrumpfung der Linse mischt sich das Wasser der Randbereiche mit dem nachdrängenden Meerwasser, sodass die Tümpel außerhalb des Inselzentrums versalzen. In zahlreiche Gewässer der Inselrandbereiche dringt regelmäßig bei Sturmfluten Meerwasser direkt ein, oder es wird durch Wind salzhaltiges Spritzwasser eingetragen. Bei stärkeren Sturmfluten werden etliche Gewässer vollständig überflutet. Regenwasser führt anschließend wieder zu einer allmählichen Aussüßung.

Gewässersituation auf den Ostfriesischen Inseln

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Tab. 3: Gewässersituation in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts (Gewässerzahlen aufgrund der Entwicklungsdynamik ± variabel).

Auf den Ostfriesischen Inseln sind derzeit etwa 350 limnische und ca. 180 brackige Stillgewässer vorhanden (Tab. 3). Hier sind nur regelmäßig bis mindestens zum Frühsommer wasserführende Gewässer berücksichtigt. Von diesen befindet sich über die Hälfte auf Wangerooge.

Süßgewässer

Graudünen-Gewässer

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Kleingewässer im Graudünenbereich; ehemaliger Bombentrichter auf Wangerooge (Foto: R. Niedringhaus, Juli 1993).

Bei den Gewässern in den grasdominierten Graudünen handelt es sich überwiegend um mittelgroße (300 bis 1.000 m²) und kleine > 100 m²) Systeme. Etwa die Hälfte verfügt lediglich über eine Wassertiefe von weniger als einem Meter. Dies hat zumindest in niederschlagsarmen Sommern eine Austrocknung zur Folge. Der Salzgehalt (Tab. 4) schwankt in den einzelnen Gewässern zwischen 50 und 100 mg Cl/l. Nach starken Wasserverlusten in den Sommermonaten steigen die Werte oft kurzzeitig über 150 mg Cl/l (Tab. 4). Entsprechend schwankt die Leitfähigkeit normalerweise zwischen 200 und 500 µS/cm, z.T. kurzzeitig über 1.500 µS/cm. Es handelt sich um neutrale Gewässer, in Ausnahmefällen und meist nur temporär zeigen sich saure Verhältnisse (bis zu pH 5,0). Die Sauerstoff-Werte liegen meist über 60 % Sättigung, schwanken aber z.T. sehr stark. Anzeichen von Stickstoff- Belastungen sind auf einzelne Gewässer beschränkt, erhöhte Werte treten nur vereinzelt und kurzzeitig auf.

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Tab. 4: Wasserchemismus der Gewässer in den Graudünen (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194ff).

Die Graudünen-Gewässer zeichnen sich durch eine artenreiche Wasser- und Sumpfpflanzen-Vegetation aus (Tab. 5); Höchstwerte von bis zu 43 Makrophyten-Arten pro Gewässer konnten registriert werden. Bei ungünstigen Verhältnissen sind deutlich weniger Arten zu verzeichnen (z.T. nur 4 Arten pro Gewässer).

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Tab. 5: Vegetationskundliche Parameter der Tertiärdünen-Gewässer (untersucht n = 28; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Beschattung durch randliche Gehölze ist gering, sodass meist hohe Gesamtdeckungen der Makrophyten (oft bis zu 100 %) zu verzeichnen sind. Die häufigsten Arten sind dem Anhang der Tabelle 5 zu entnehmen. Hervorzuheben ist das regelmäßige Auftreten des im niedersächsischen Küstenraum stark gefährdeten Salz-Wasserhahnenfuß ( Ranunculus peltatus ssp. baudotii).

Gewässer der anmoorigen Dünentäler

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Leicht saures Gewässer im anmoorigen Graudünental (Foto: R. Niedringhaus; Wangerooge, Juni 2005).

Gewässer der anmoorigen Dünentäler finden sich vor allem auf Wangerooge, wo sie sich aus ehemaligen Bombentrichtern des 2. Weltkrieges zu Kleinstgewässern von wenigen Quadratmetern entwickelt haben. Aber auch der mit 15 ha größte See der Inselkette, der im Jahr 1651 durch einen Dünendurchbruch entstandene Hammersee auf Juist, ist aufgrund seines meist sauren Milieus (bis zu pH 5,7, vgl. HOLLWEDEL 2003) diesem Gewässertyp zuzurechnen.

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Tab. 6: Wasserchemismus der Gewässer anmooriger Dünentäler (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194 ff).

Der überwiegende Teil der Kleinstgewässer trocknet in niederschlagsarmen Sommern aus. Fast alle Gewässer sind im fortgeschrittenen Verlandungs- stadium. Der Wasserstand des Hammersees sinkt temporär bis auf ca. 1,5 m, dies kann dann leicht brackige Verhältnisse zur Folge haben. Auch hier ist eine massive Verlandung zu beobachten. Fast alle Gewässer zeigen leichte Spuren von Ammonium, z.T. bis zu 5 mg/l (Tab. 6). Belastungen durch Nitrat oder Nitrit konnten nicht festgestellt werden.

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Tab. 7: Vegetationskundliche Parameter der Gewässer anmooriger Dünentäler (untersucht n = 26; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die anmoorigen Gewässer der Tertiärdünentäler besitzen die artenreichste Vegetation: Im Mittel wurden 18 Arten festgestellt (Tab. 7). In mehreren Gewässern waren bis zu 10 Wasserpflanzen-Arten zu registrieren, vielfach allerdings auch deutlich weniger. Trotz der stellenweisen Beschattung fast aller Gewässer liegt die mittlere Gesamtdeckung bei 54 %. Höhere Werte (z.T. bis 100 %) zeigen sich allerdings nur bei Beschattungen unter 5 %. Unter den häufigsten Arten (Anhang der Tabelle 7) finden sich zahlreiche gefährdete Arten, wie z.B. die Schwanenblume (Butomus umbellatus), die Weiße Seerose (Nymphaea alba), das Knöterich-Laichkraut (Potamogeton polygonifolius) und der Salz-Wasserhahnenfuß (Ranunculus peltatus ssp. baudotii). Mit dem Strandling (Littorella uniflora, nur vereinzelt auf Wangerooge) wurde sogar eine bundes- und landesweit stark gefährdete Art festgestellt.

Gewässer in Dünenwäldchen

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Stark beschattetes und durch Laubeintrag beeinträchtigtes Gewässer (Foto: R. Niedringhaus; Juist, Juli 2005).

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Tab. 8: Wasserchemismus der Gewässer in Dünenwäldchen (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194 ff).

Bei den wenigen Gewässern in den Dünenwäldchen handelt es sich um sehr kleine bis mittelgroße, oft temporäre Tümpel (Tab. 8). Bedingt durch den Laubeintrag weisen sie z.T. dicke Faulschlammschichten auf; die pH-Werte liegen meist zwischen 5,5 und 6,5. Die Sauerstoffgehalte sind meist niedrig. Salzeinfluss ist höchstens kurzzeitig zu registrieren.

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Tab. 9: Vegetationskundliche Parameter der Gewässer in Dünenwäldchen (untersucht n = 10; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Vegetation der Gewässer der Dünenwäldchen ist aufgrund der Beschattung relativ artenarm (Tab. 9). Im Mittel sind nur 10 Arten (maximal 18) zu finden. Auch die Gesamtdeckung liegt mit durchschnittlich 27 % deutlich niedriger als in den anderen Dünengewässern. Wasserpflanzen sind oft überhaupt nicht vorhanden, nur in Ausnahmefällen finden sich bis zu 3 Arten.

Innengroden-Gewässer

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Gewässer auf Innengroden-Weide als Viehtränke; ehemalige Bombentrichter auf Wangerooge (Foto: R. Niedringhaus, Juni 2005).

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Tab. 10: Wasserchemismus der Gewässer in den Innengroden (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194ff).

Bei den Gewässern in den Innengroden handelt es sich überwiegend um kleine, oft weniger als 50 m² große Tümpel, die häufig als Viehtränken genutzt werden oder wurden. Selten sind sie größer als 500 m². Ihre maximale Wassertiefe beträgt meist 0,5 bis 1 m, d.h. sie fallen in niederschlagsarmen Sommern trocken. Lediglich etwa 10 % der Innengroden-Gewässer weisen Tiefen von 2 und mehr Metern auf, sodass von perennierenden Gewässern ausgegangen werden kann. Der Salzgehalt schwankt in einzelnen Gewässern zwischen 100 und 200 mg Cl/l. Nach stärkeren Regenfällen und außerhalb der heißen Sommermonate sinken die Werte oft auf 50 mg Cl/l (Tab. 10). Während längerer Trockenphasen steigt die Salinität einiger Gewässern über 250 mg Cl/l an, sodass dann leicht brackige Verhältnisse herrschen. Entsprechend schwankt die Leitfähigkeit zwischen 600 und 900 µS/cm, in Trockenphasen steigen die Werte kurzzeitig über 1.500 µS/cm. In der Regel handelt es sich um neutrale Gewässer, in Ausnahmefällen und meist nur temporär zeigen sich pH-Werte von bis zu 5,5 oder 8,5. Die Sauerstoff-Verhältnisse schwanken z.T. sehr stark, sinken aber kaum unter 30 %. Belastungen durch Stickstoff-Verbindungen sind auf einzelne Gewässer beschränkt und treten nur kurzzeitig auf.

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Tab. 11: Vegetationskundliche Parameter der Innengroden-Gewässer (untersucht n = 77; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Innengroden-Gewässer weisen eine artenreiche Vegetation sowohl im Hinblick auf Sumpf- als auch Wasserpflanzen auf (Tab. 11). Bei Störungen durch Viehtritt bzw. Belastungen durch Fäkalien kann es allerdings zu erheblichen Beeinträchtigungen bis hin zum völligen Verschwinden der Wasserpflanzen-Vegetation kommen. Die Gesamtdeckungen liegen im Mittel bei 42 %, bei einer Spanne von 10-100 %; Gehölzbeschattung tritt nur sehr selten auf. Die häufigsten Arten sind dem Anhang der Tabelle 11 zu entnehmen. Bedeutsam sind die Innengroden-Gewässer für den Salz-Wasserhahnenfuß (Ranunculus peltatus ssp. baudotii); mit einer Gewässerfrequenz von 62 % und jeweils meist üppigen Beständen ist für diese in Niedersachsen gefährdete Art hier das Schwerpunktvorkommen auf den Inseln zu finden.

Schwach brackige Gewässer

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Tab. 12: Wasserchemismus leicht brackiger Gewässer (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194 ff).

Die schwach brackigen Gewässer auf den Inseln liegen zumeist in den Übergangsbereichen zwischen Tertiärdüne und Salzwiese. Einige finden sich auch in den Innengroden, dann fast immer unmittelbar vor dem Sommerdeich. Der Salzgehalt schwankt zwischen 300 und 2.000 mg Cl/l; je nach Jahreszeit gibt es erhebliche Abweichungen (Tab. 12). Dementsprechend handelt es sich um mittelharte bis harte Gewässer mit neutralem bis leicht alkalischem pH-Wert. Stickstoff-Belastungen treten temporär bei hoher Silbermöwendichte auf.

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Tab. 13: Vegetationskundliche Parameter leicht brackiger Gewässer (untersucht n = 25; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Vegetation der schwach brackigen Gewässer ist artenärmer als die der Dünen- und Innengrodengewässer: Im Mittel fanden sich 15 Arten, darunter allerdings oftmals keine Hydrophyten (Tab. 13). Wenngleich nicht so häufig wie in den limnischen Innengroden-Gewässern, so kommt der landesweit gefährdete Salz-Wasserhahnenfuß (Ranunculus peltatus ssp. baudotii) auch hier noch regelmäßig vor.

Mittel- bis stark brackige Gewässer

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Brackige Kleingewässer in den Salzwiesen; ehemalige Bombentrichter auf Wangerooge (Foto: R. Niedringhaus, Juni 2005).

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Tab. 14: Wasserchemismus der mittel bis stark brackigen Gewässer (vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998: 194 ff).

Bei den mittel bis stark brackigen Gewässern können drei Gruppen unterschieden werden: (1) die stark verbauten Abwasser- und Entwässerungssiele, oft gekoppelt mit größeren sog. "Brackwasserseen", (2) die auf den höheren Salzwiesen liegenden Kleingewässer (die ehemaligen Bombentrichter auf Wangerooge, durch auf Weiden im Außengroden entstandene "blänkenartige" Tümpel) und (3) die natürlichentstandenen, meist temporären Wasseransammlungen nach Ausblasungen und Meeresausspülungen. Es handelt sich um mixo-mesohaline bis mixo- polyhaline Gewässer mit 5 bis 30 ‰ Salzgehalt (Tab. 14). Limnische Organismen sind hier auch kurzzeitig nicht mehr zu finden.

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Tab. 15: Vegetationskundliche Parameter mittel bis stark brackiger Gewässer (untersucht n = 26; vgl. NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Vegetation dieser Extrem-Gewässer ist sehr artenarm. Als Hydrophyt kommt nur die landesweit stark gefährdete Strand-Salde (Ruppia maritima) regelmäßig vor (Tab. 15). Im Uferbereich finden sich erwartungsgemäß verschiedene Arten der Salzwiesen.

Kontaktadresse:

Dr. Rolf Niedringhaus
Carl-von-Ossietzky-Universität
Fakultät V, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
D-26111 Oldenburg
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Stand: 12/2009