Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Verbreitung von Wasserflöhen,
Muschelkrebsen und Ruderfußkrebsen
in limnischen Gewässern
der Ostfriesischen Inseln

(Cladocera, Ostracoda und Copepoda)

Zusammenfassung

Auf den Ostfriesischen Inseln wurden von 1969-2002 insgesamt 50 Cladocera-Arten nachgewiesen, von denen 7 in allen Gewässertypen, 12 nur in einem anzutreffen waren. Einige auf dem Festland selten vorkommende und als gefährdet geltende Arten waren in den Inselgewässern häufig und zahlreich, z. B. Macrothrix hirsuticornis und Scapholeberis rammneri. Verschwinden und Neufunde der Cladocerenarten während der Untersuchungszeit wurden dokumentiert. - Unter Berücksichtigung älterer Arbeiten wurden auf den Inseln bis heute 26 Ostracoda nachgewiesen, wobei die Artenzahlen der Inseln abhängig sind von der Gewässerzahl und -ausstattung sowie von der Untersuchungsintensität. In den Gewässern der Tertiärdünen leben die meisten Muschelkrebsarten. Die sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland stark ausbreitende Art Isocypris beauchampi wurde im Hammersee auf Juist nachgewiesen. - Für die Copepoda liegen nur sehr alte Funde (13 Taxa) aus dem 19. Jahrhundert und neuere (3 Taxa) aus dem Jahr 2003 von Norderney und Langeoog vor.

Summary

Distribition of Cladocera, Ostracoda and Copepoda in limnic ponds on the East Frisian islands. - Between 1969 and 2002, the distribution of Cladocera species on the East Frisian islands was investigated. A total of 50 species were identified in various kinds of water bodies, some of which are influenced by saltwater. Temporary pools are recolonised from diapausing resting eggs. 7 species were found in all types of waters, 12 were restricted to a single type. Some species that are rare and endangered on the mainland are abundant on the islands, including Macrothrix hirsuticornis and Scapholeberis rammneri. 26 ostracod taxa were identified inclusive of previous records. Species records per island vary as to the number of available waters and habitats as well as to the intensity of investigations. Most ostracod species were found in tertiary dune waters. Isocypris beauchampi which has been spreading rapidly in Germany during the recent decades was found in lake "Hammersee" on Juist Island. Only 13 records of copepod taxa from Norderney and Langeoog islands were published in the 19th century and three further taxa in 2003.

Was sind... limnische Kleinkrebse?

Wasserflöhe (Cladocera), Muschelkrebse (Ostracoda) und Ruderfußkrebse (Copepoda) sind in Binnengewässern lebende Krebstiere (Crustacea), die wie die Insekten und Spinnentiere zu dem Stamm der Gliedertiere (Arthropoden) gehören.

Was sind... Wasserflöhe?

Die Süßwassercladoceren sind in Mitteleuropa mit 121 Arten vertreten (FLÖSSNER 2000, LIEDER 1996). Davon wurden 106 Arten in Deutschland nachgewiesen; einige Vorkommen sind jedoch erloschen. Die Cladoceren vermehren sich vorwiegend parthenogenetisch durch unbefruchterte Eier. Bei der geschlechtlichen Vermehrung entstehen Dauereier, die in andere Gewässer, insbesondere durch Vögel, verschleppt werden können und für die Verbreitung der Arten sorgen. Von den beiden räuberischen Arten kam Leptodora kindti auf den Ostfriesischen Inseln nur im Hammersee auf Juist vor, während Polyphemus pediculus in keinem Gewässer gefangen wurde. Auch die einzige parasitisch lebende Art, Anchistropus emarginatus, konnte auf den Inseln nicht nachgewiesen werden. Die Cladoceren leben sowohl zwischen Makrophyten und im freien Wasser als auch in und auf dem Sediment. Sie filtrieren das Wasser und ernähren sich von Algen und Bakterien.

Was sind... Muschelkrebse?

Aus Mitteleuropa sind derzeit rund 150 Ostracoden aus limnischen Gewässern bekannt (MEISCH 2000). Davon wurden in Deutschland 128 nachgewiesen. Bei den Muschelkrebsen gibt es Arten, die sich bisexuell vermehren, also regelmäßig Männchen und Weibchen ausbilden, aber auch solche Arten, die sich nur parthenogenetisch fortpflanzen. Ostracoden kommen sowohl in Oberflächengewässern als auch im Grundwasser vor. Die Muschelkrebse ernähren sich von lebendem und totem organischen Material. Sie leben benthisch, also auf oder im Boden, einige schwimmen zeitweilig auch zwischen Wasserpflanzen. Die Tiere der Gattung Notodromas weiden die Wasseroberfläche ab, tauchen aber bei Gefahr sofort zum Gewässergrund ab. Die Ostracoden haben einen entscheidenden Anteil an der Mineralisierung der organischen Substanz.

Was sind... Ruderfußkrebse?

Copepoda sind in aquatischen Lebensräumen vorkommende Crustacea. KIEFER (1978) gibt 467 Arten (ohne die Parasiten) für die europäischen Binnengewässer an, während er (1973) für die einheimischen Gewässer 157 Arten aufführt. Nach EINSLE (1993) und JANETZKY et al. (1996) kommen die Calanoida, Cyclopoida, Gelyelloida und Harpacticoida in Mitteleuropa mit über 210 Arten vor. In der Taxaliste der Gewässer Deutschlands (MAUCH et al. 2003) werden in den letztgenannten Gruppen 97 Arten aufgeführt.

Im Verhältnis zu ihrer kleinen Körpergröße, ihrer diversen Körperform und Lebensweise sind die Copepoda in auffallend hohen Abundanzen zu finden. Sie beherrschen die Zooplanktongemeinschaften in marinen und limnischen Gewässern und sind ein entscheidender Faktor in der Nahrungskette. Frei lebende Copepoda spielen auch eine bedeutende Rolle in den benthischen Lebensgemeinschaften und die parasitischen Formen weisen eine hohe Vielfalt auf. Jede Art besitzt ihren eigenen Lebenszyklus, der durch biotische und abiotische Faktoren bestimmt wird.

Vertreter der Cyclopidae bei den Cyclopoida, Canthocamptidae bei den Harpacticoida und Diaptomidae bei den Calanoida sind in allen möglichen limnischen Habitaten sehr erfolgreich; einige Arten dieser Gruppen weisen eine Salinitätstoleranz auf.

Einleitung


Macrothrix hirsuticornis (Männchen) ist eine Charakterart der Kleingewässer mehrerer Nordseeinseln in durch Sturmfluten gefährdeten Bereichen und kann Salzwasserüberflutungen durch Bildung von Dauereiern überstehen. Neben Daphnia magna ist die Art Erstbesiedlerin der Kleingewässer nach Salzwassereinbruch und allmählicher Aussüßung. Sie lebt dicht über dem schlammigen Boden. Im angrenzenden Festlandsbereich wurde sie nur südlich von Cuxhaven gefunden (Zeichnung: M. Stöckmann, verändert nach FLÖSSNER 1972).

Über das Vorkommen der Wasserflöhe (Cladocera), Muschelkrebse (Ostracoda) und Ruderfußkrebse (Copepoda) auf den Ostfriesischen Inseln existieren nur wenige ältere Arbeiten. Die ersten Publikationen über diese Tiergruppen stammen von POPPE (1891), RICHARD (1898) und SCHNEIDER (1898). Die von Schneider gesammelten Cladocera und Copepoda bestimmte Richard und noch im gleichen Jahr publizierten beide Autoren eine identische Artenliste von Borkum. LEEGE (1911) veröffentlichte das Vorkommen einiger Cladocera und Ostracoda auf Memmert und Baltrum. Die Verbreitung der Cladocera auf Spiekeroog untersuchte MEIJERING (1970, 1990) und von allen Inseln liegen Ergebnisse langjähriger Untersuchungen von HOLLWEDEL (1981, 2003, 2004) vor. Untersuchungen über die Ostracoda wurden von HOLLWEDEL und SCHARF (1988, 1994, 2003) veröffentlicht.

Methoden und Untersuchungsgebiet

Die Methoden zum Fang, zur Behandlung der Proben und zur Bestimmung der Arten sind bei FLÖSSNER (1972), MEISCH (2000), EINSLE (1993), JANETZKY et al. (1996) und GAD (2003) beschrieben. Die Proben wurden in unterschiedlichen Zeitabständen gesammelt. Die Inseln Juist, Norderney, Langeoog und Wangerooge wurden am häufigsten aufgesucht. Auf ihnen befinden sich die meisten Kleingewässer, auf Wangerooge mehrere hundert Bombentrichter (NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998).

Die Gewässer auf den Ostfriesischen Inseln lassen sich aufgrund ihrer Lage auf dem Inselkörper typologisieren (Abb. 1). In den Primär- und Sekundärdünen gibt es keine permanenten oder temporären oberirdischen Gewässer. In den älteren Tertiärdünen ist jedoch eine Reihe von Gewässern anzutreffen: Feuerlöschteiche, Haus-, Park-, und Gartenteiche, Viehtränken, ehemalige Eisteiche, Sandgruben, die für Bauzwecke ausgehoben wurden und sich mit Wasser gefüllt haben, Bombentrichter, Regenwassertonnen, anmoorige Gewässer und der Hammersee auf Juist. Weitere Gewässertypen befinden sich in den Niederungen vor Tertiärdünen: Bodenentnahmestellen wie die "Franzosenschanzen" auf Borkum und Norderney, künstliche Viehtränken und Kolke sowie Gräben, durch die gelegentlich Brackwasser eindringt. Alle diese Gewässer sind jeweils durch Deiche auf der Wattseite oder durch Tertiärdünen vor Überflutungen geschützt. In den Salzwiesen gibt es Gewässer, die nicht permanent mit dem Meer in Verbindung stehen, aber von Sturmfluten erreicht werden. Als größtes Wasserreservoir besitzt jede Insel eine durch versickerndes Niederschlagswasser entstandene Süßwasserlinse, die durch ihre hydrologische Wölbung nach oben einen seitlichen Süßwasser-Abfluss zur See- und Wattseite verursacht. Hier entsteht eine sich ständig verändernde Brackwasserzone.

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Abb. 1: Schematischer Querschnitt durch eine Insel (Zeichnung: M. Stöckmann, verändert nach HOLLWEDEL 1981, verändert)

Der Salzgehalt des Wassers schwankt innerhalb der Gewässertypen. Obwohl der Bereich der Tertiärdüne keine direkte Verbindung zum Meer hat, ist deren Salzgehalt doch leicht erhöht gegenüber vielen Festlandsgewässern. Dies ist durch den Eintrag von Meerwasser über den Luftweg, insbesondere bei Sturm, bedingt. Naturgemäß schwankt der Salzgehalt innerhalb des Jahres bei jenen Gewässern am stärksten, die zwischen Deichen bzw. Dünenausläufern und dem Watt liegen. Bei Sturmfluten werden sie vom Meer überspült. Durch Niederschläge wird das eingedrungene Salzwasser verdünnt, es kommt zur Aussüßung, aber der Salzgehalt kann auch innerhalb weniger Tage durch Verdunstung wieder ansteigen.

Die meisten Gewässer unterliegen wegen ihrer Klein- und Flachheit oft einem schnellen Wandel; es handelt sich um labile Systeme, die vom Grundwasserstand abhängig sind. Durch Eintrag von Nährstoffen eutrophieren sie in wenigen Jahrzehnten und verlanden und verbuschen dann. Vielfach werden sie in diesem Stadium aber wieder durch Entbuschung, Entschlammung oder Ausbaggern verjüngt. In einigen Gewässern wird das Aufkommen von Makrophyten durch den Tritt des Weideviehs verhindert.

Im Sommer trocknet ein Teil der Kleingewässer aus. Nur Arten, die rechtzeitig Dauerstadien oder eine Diapause ausbilden können, sind in der Lage, diese Gewässer zu bewohnen. Wenn diese Überlebensmechanismen nicht mehr greifen, kann nur eine Neubesiedlung durch Transport von Dauerstadien aus Nachbargewässern erfolgen.

Cladocera auf den Inseln

Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 50 Taxa festgestellt (s.a. BRÖRING et al. 1993). Im Vergleich zur Artenliste von 1981 sind bis 2004 auf den Ostfriesischen Inseln drei Arten neu aufgetreten (HOLLWEDEL 1981, 2004): Acroperus harpae, Leptodora kindti und Pleuroxus uncinatus. Scapholeberis rammneri kommt ebenfalls als neue Art vor; sie wurde von DUMONT & PENSAERT (1983) beschrieben und von S. kingi getrennt. Ferner wurde Ilyocryptus cuneatus als neue Art beschrieben (ŠTIFTER 1988). Da sie neben Ilyocryptus sordidus hiesige Gewässer besiedelt und Belegstücke aus früheren Untersuchungen fehlen, kann heute keine Zuordnung früherer Angaben vorgenommen werden. Dagegen konnte das einmalige Auftreten von Diaphanosoma brachyurum im Hammersee anhand des älteren vorhandenen Materials in D. mongolianum korrigiert werden. Folgende Taxa sind Synonyme: Megafenestra aurita = Syn.: Scapholeberis aurita, Leydigia leydigi = Syn.: L. quadrangularis und Pleuroxus truncatus = Syn.: Peracantha truncata. Simocephalus congener: früher als Unterart von S. exspinosus geführt.

Die höchste Artenzahl wurde in den Gewässern der am häufigsten besuchten Inseln, Juist, Norderney und Wangerooge, ermittelt. Die geringste Artenzahl wurde auf der kleinsten Insel, Baltrum, gefunden, die selten beprobt wurde. Auf den jungen Inseln Mellum (13) und Minsener Oog (9) konnten nur wenige Arten nachgewiesen werden. Memmert beherbergte dagegen in verschiedenartigen Gewässern 16 Arten. Einige von früheren Autoren gefundene Arten konnten auf den betreffenden Inseln nicht wieder nachgewiesen werden.

19 Arten sind auf allen Inseln verbreitet und kommen auch in Festlandsgewässern vor. Seltene Arten wie Scapholeberis rammneri und Macrothrix hirsuticornis wurden in einigen Inselgewässern zeitweise in hoher Abundanz angetroffen. Zu der Gruppe, die nur auf zwei Inseln oder einer Insel vorkamen, gehörte neben den beiden vorher erwähnten eine weitere Gruppe gefährdeter Arten: Bosmina longispina, Daphnia atkinsoni, D. pulicaria, Graptoleberis testudinaria, Ilyocryptus agilis, I. cuneatus, Megafenestra aurita und Rhynchotalona falcata (HERBST 1982; FLÖSSNER 2000).

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Tab. 1: Artenzahlen und Salzgehalte der verschiedenen Inselgewässer (1969-2002; aus HOLLWEDEL 2004, verändert).

Die Inselgewässer nach ihrer Topographie betrachtet, ergeben folgendes Bild: In Gewässern, die vor und hinter dem Deich sowie im Tertiärdünenbereich liegen, wurden 14 Cladocera gefunden. Diese Arten tolerieren Salzgehalt- und Temperaturschwankungen, oder die betroffenen Gewässer werden durch Transport von Dauereiern aus Nachbargewässern neu besiedelt. Zu diesen erfolgreichen Arten gehören die auf dem Festland bedrohten Scapholeberis rammneri und Macrothrix hirsuticornis, die in hoher Abundanz in Gewässern vor dem Deich anzutreffen waren. Daphnia atkinsoni wurde lediglich in zwei Jahren in einem Gewässer auf Juist gefunden (HOLLWEDEL 1975).

In den Gewässern vor und hinter dem Deich wurden - abgesehen von Ceriodaphnia dubia und Moina macrocopa - weitere Arten in geringer Abundanz angetroffen. In den tieferen Gewässern hinter dem Deich lebte Bosmina longirostris in großer Individuenzahl wie auch im Tertiärdünenbereich. Auch waren Daphnia obtusa, Ceriodaphnia dubia und Alona quadrangularis in flachen Gewässern besonders häufig. Bodenbewohner, Ilyocryptus-Arten und Monospilus dispar, wurden nur in wenigen Individuen gefunden.

Die künstlichen Wasserbehälter nehmen eine Sonderstellung ein. Es fehlt ihnen Bodenschlamm. In unregelmäßigen Abständen wird ihnen Leitungs- oder Regenwasser zugeführt, wodurch die Temperatur gesenkt wird. Außerdem reduziert das Vieh beim Trinken die Anzahl der Cladocera. Trotzdem wurden hier 13 Taxa angetroffen, darunter auch die zwei Moina-Arten, die zu den Charakterarten der Kleingewässer in Deichnähe gehören.

Eine herausragende Stellung nimmt der Hammersee auf Juist ein. Nur wenige der auf den Inseln gefundenen Arten sind hier nicht präsent. Es sind Macrothrix hirsuticornis, Moina brachiata und M. macrocopa sowie typische Tümpelbewohner wie Daphnia curvirostris und D. obtusa. Während der Untersuchungszeit änderte sich wiederholt die Artenzusammensetzung je nach Wasserstand, Verlandung und Entwicklung des Fischbestandes. Sieben Arten kamen nur im Hammersee vor, darunter die gefährdeten Arten Rhynchotalona falcata und Megafenestra aurita. Zwei Individuen der letztgenannten Art wurden bei einer Beprobung im Jahr 2005 im Hausteich auf Mellum nachgewiesen.

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Scapholeberis rammneri, (Weibchen) besiedelt auf den Nordseeinseln Kleingewässer der Tertiärdünen. Im nordwestdeutschen Flachland kommt sie nur in einigen Kleingewässern und im Litoral weniger Seen vor (Zeichnung: M. Stöckmann, verändert nach ALONSO 1996).

Auch die Gewässer im Tertiärdünenbereich beherbergten mehrere erfolgreiche Arten. Dazu gehört die auf dem Festland häufige und weit verbreitete Scapholeberis mucronata, die auf den Inseln aber selten ist. Sie wurde auf Juist zwei Jahre lang in einem Gewässer am Rande der Tertiärdünen und sechs Jahre lang im Feuerlöschteich bei der Domäne Bill gefunden. Auf Spiekeroog wanderte diese Art gegen Ende der Untersuchungszeit in ein neues Gewässer ein, während die Schwesterart S. rammneri auf mehreren Inseln alle Gewässertypen besetzte.

In Gewässern mit schnell wechselnden Lebensbedingungen schwankte der Artenbestand. Auf der Insel Memmert variierte dieser von 1969 bis 2002 zwischen einer und acht Arten.

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Tab. 2: Auf Juist im Goldfischteich nach 1981 und im Hammersee nach 1982 nicht wiedergefundene Cladocerenarten.

Im Hammersee gelangten Stichlingsschwärme bei hohem Wasserstand in den Makrophytenbereich und reduzierten die litoralen Wasserflöhe. Hier konnten die Seeschwalben die Stichlinge nicht jagen. Bei niedrigem Wasserstand hingegen hielten sich die Stichlinge im freien Wasser auf und wurden von Seeschwalben dezimiert; davon profitierten die Cladocera im Litoral (HOLLWEDEL 1984). Auch bei Zuwanderungen und beim Verschwinden von Arten zeigte sich, dass der Artenbestand eines Inselgewässers einem ständigen Wechsel unterliegt. Zwölf Arten wurden im Goldfischteich nach 1981 und im Hammersee nach 1982 nicht wieder gefunden (Tab. 2).

Als Gründe für die Abnahme der Artenzahl sind anzuführen: Absenkung des Grundwasserspiegels (beschleunigte Verlandung und Verbuschung), Änderung der Weidenutzung (Unterbleiben des Viehtritts und zunehmendes Wachstum von Makrophyten im Uferbereich von Kleingewässern), Verschmutzung durch Vogelkot (Eutrophierung), Einrichtung von Selbsttränken für das Vieh (Ersatz von Kleingewässern).

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Tab. 3: Neufunde von Cladoceren auf Spiekeroog und Wangerooge nach 1981 (aus HOLLWEDEL 1995, 2002).

Andererseits gab es seit 1981 auf Spiekeroog zwölf und Wangerooge sieben Neufunde (Tab. 3). Als Gründe für den Anstieg von Artenzahlen in Gewässern der Inseln sind zu nennen: Bildung von Kolken, Entstehung neuer Gewässer (durch Bodenabbau für Baumaßnahmen), Verbesserung der Wasserqualität und Schaffung neuer Habitate (durch Reinigung, Entschlammung und Vertiefung von Gewässern sowie durch Einleitung von Regenwasser).

Ostracoda auf den Inseln

Über die Ostracoda der Ostfriesischen Inseln gibt es nur wenige Arbeiten. Einige stammen aus der Zeit um 1900 (POPPE 1891, SCHNEIDER 1898, LEEGE 1911). Weitere Arbeiten sind erst in den letzten Jahrzehnten entstanden (HOLLWEDEL & SCHARF 1988, 1994, 2003). Von den älteren Funden gibt es keine Belegstücke mehr, sodass diese Angaben ungeprüft übernommen wurden, allerdings entsprechend der heute gültigen Nomenklatur (MEISCH 2000). KLIE (1938) hat die von Schneider für Borkum beschriebene Art Pseudocandona rostrata überprüft und festgestellt, dass es sich dabei um P. marchica handelt. LEEGE (1911) hat offensichtlich auf Baltrum keine Ostracoda gefunden, jedenfalls werden sie von ihm nicht erwähnt. Drei Arten aus früheren Untersuchungen wurden nicht wiedergefunden: Cypridopsis hartwigi, Potamocypris villosa und Pseudocandona marchica. Während C. hartwigi und P. marchica salztolerant sind, ist P. villosa eine reine Süßwasserform (MEISCH 2000). Es kann heute nicht mehr nachgeprüft werden, ob es sich bei der Angabe von P. villosa von Borkum um eine Fehlbestimmung handelt. Bei der Größe der Insel ist ein Vorkommen jedoch durchaus möglich. Sarscypridopsis spec. in HOLLWEDEL & SCHARF (1988) wurde jetzt mit S. aculeata zusammengefasst. Die morphologische Variationsbereite der Art ist größer als früher angenommen (MEISCH 2000).

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Der Muschelkrebs Herpetocypris reptans (Weibchen, linke Schalenhälfte entfernt) lebt im Litoral am Boden, bevorzugt zwischen Makrophyten. Die Art ist weniger salztolerant als H. chevreuxi (Zeichnung: M. Stöckmann, verändert nach MEISCH 2000).

In den Gewässern der Ostfriesischen Inseln, die einem schnellen Wandel unterliegen, sind unter den Ostracoda viele Arten zu finden, die sich parthenogenetisch vermehren und zu den Pionierarten zählen. Auf den Inseln Hiddensee und Rügen in der Ostsee mit vielen ausdauernden Gewässern ist der Anteil der sich bisexuell vermehrenden Arten deutlich höher (HOLLWEDEL & SCHARF 1994).

POPPE (1891), SCHNEIDER (1898) und LEEGE (1911) machen keine genauen Fundortangaben. Die Ostracoda konzentrieren sich auf einige Gewässertypen innerhalb der Inseln. Auf der Wattseite gibt es vor dem Deich bzw. vor der Tertiärdüne nur wenige Stellen, an denen Ostracoda in geringer Artenzahl vorkamen. Die meisten Arten wurden in den eingedeichten Wiesen und Gewässern in den Tertiärdünen gefunden. Die dort angetroffenen Individuen der Gattung Leptocythere stammen aus dem marinen Bereich und aus dem Brackwasser. Es wurden keine stabilen Populationen von Elofsonia baltica und der Gattung Leptocythere angetroffen. In Viehtränken und Regentonnen war die Artenzahl gering; dies traf trotz der Gewässergröße auch für den Hammersee zu. Interessanterweise liegt von hier der einzige Fund von Isocypris beauchampi vor, einer Art, die sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland stark ausgebreitet hat.

Copepoda auf den Inseln

Neuere Untersuchungen über die Meiofauna, zu denen auch die Copepoda zählen, sind an der Deutschen Nordseeküste hauptsächlich im nördlichen Wattenmeer durchgeführt worden (KUNZ 1977, KUKERT 1984, GERLACH 2004). Es gibt unveröffentlichte Daten aus Filterkiesproben der Wasserversorgung. Im Jahr 1998 wurde Paracyclops fimbriatus auf Langeoog nachgewiesen (Rumm mdl. Mitteilung). In jüngster Zeit publizierte GAD (2003) den ersten Nachweis von Parastenocaris vicesima in der Trinkwasseraufbereitung von Norderney und Langeoog. Dieser Harpacticoide wird als Brackwasserart eingestuft, die auch in reinem Süßwasser vorkommen kann. Sie ist auf Helgoland, deren Düne und an der Nord- und Ostseeküste nachgewiesen worden und zeigt eine Anpassung an das Porensystem (Sandlückenfauna) grundwasserführender Schichten (KIEFER 1960, HUSMANN 1962, ROUCH 1986, JANETZKY et al. 1996).

Aus Moosproben der Dünen von Norderney wurde der Harpacticoide Phyllognathopus viguieri nachgewiesen. Diese Art soll kosmopolitisch verbreitet sein. Sie kommt im Grundwasser vor und scheint auf die unterschiedlichste Weise verbreitet zu werden, da sie auch in den Gewächshäusern botanischer Gärten, in Komposthaufen und in der Blattstreu der Wälder gefunden wird (REID 2001). Bei zukünftigen Untersuchungen wird diese Art sicherlich auf allen Inseln nachgewiesen werden. Untersuchungen an unterschiedlichen Populationen zeigen aber, dass es sich bei diesem Taxon wohl um einen Komplex biologischer Arten handeln muss (GLATZEL & KÖNIGSHOFF 2005).

Die ersten Untersuchungen über Copepoda publizierte POPPE (1891) für die Insel Spiekeroog. Es wurden damals die beiden Arten Eucyclops serrulatus (Syn.: Cyclops agilis) und Acanthocyclops vernalis (Syn.: Cyclops elongatus) nachgewiesen.

Neben farblosen Individuen kann bei Eucyclops serrulatus der ganze Körper oder nur das Abdomen intensiv gelb, rostrot bis blauviolett gefärbt sein, die Eiballen erscheinen dunkelgrün bis fast blauschwarz. Diese Art ist wohl der weitestverbreitete Cyclopoide überhaupt; sie kommt in neu entstandenen Wasseransammlungen, in periodischen und perennierenden Kleingewässern vor, tritt im Litoral von Seen und Teichen und subterran auf.

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Der Ruderfußkrebs Attheyella crassa (Weibchen mit Eisack) ist in den verschiedensten Binnengewässern Mitteleuropas verbreitet. Auch am Grund langsam fließender Gewässer und im Grundwasser ist er zu finden. Er wurde vor über 100 Jahren von Borkum gemeldet, ist aber auch auf den anderen Inseln zu erwarten (Zeichnung: M. Stöckmann, verändert nach SCHMEIL 1893).

Seit dieser Zeit sind keine weiteren Untersuchungen über im Süßwasser vorkommende Copepoda auf den Ostfriesischen Inseln durchgeführt worden. Somit finden sich in der Artenliste nur 9 Taxa von Vertretern der Cyclopoida und 6 Taxa der Harpacticoida; die Calanoida fehlen gänzlich, obwohl dieses Taxon in den Inselgewässern zu erwarten wäre.

Basierend auf einem Artikel von:

Werner Hollwedel
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Prof. Dr. Burkhard W. Scharf
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Dr. Thomas Glatzel
Carl-von-Ossietzky-Universität
AG Biodiversität und Evolution der Tiere
Fakultät V, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
D–26111 Oldenburg
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Stand: 02/2009