Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Hundert- und Tausendfüßer
der Ostfriesischen Inseln

(Myriapoda: Chilopoda, Diplopoda)

Artenbestand anhand von Literaturdaten

Zusammenfassung

Für die Ostfriesischen Inseln existieren nur sehr wenige Nachweise über Hundert- und Tausendfüßer, alle mehr als 75 Jahre alt. Insgesamt werden 4 Arten der Chilopoden und 5 Arten der Diplopoden (8 % bzw. 4 % der aus Deutschland bekannten Arten) aufgeführt.

Summary

The centipedes and millipedes of the East Frisian islands (Myriapoda, Chilopoda, Diplopoda). Preliminary species pool based on data from the literature. - There are currently only few reports available on the occurrence of Myriapoda on the East Frisian islands, all dating back from more than 75 years. A total of four species of Chilopoda and five species of Diplopoda have been recorded from the islands, which is a mere 8 % and 4 %, respectively, of species known to occur in Germany.

Was sind... Hundert- und Tausendfüßer?

Hundertfüßer (Chilopoda) sind weltweit mit etwa 3.200 Arten vertreten, wobei besonders in den Tropen ein Großteil der Arten noch unbeschrieben sein könnte. Es handelt sich um langgestreckte, bewegliche Räuber der oberen Bodenschichten. Einheimische Chilopoden sind etwa 5-70 mm lang. Ihre Beutetiere fangen sie mit einem zu Giftklauen umgebildeten ersten Beinpaar (Kieferfüße). Häufig sind speziell gestaltete, verlängerte Endbeine vorhanden, welche ebenfalls zum Beutefang eingesetzt werden aber auch der Feindabwehr dienen.
Jedes Körpersegment hat ein Beinpaar. Zwei verschiedene Lebensformtypen lassen sich unterscheiden, der besonders bei Steinläufern (Lithobiomorpha) ausgeprägte Lauftyp und der Bohrtyp, welcher bei den länglichen, dünnen Erdläufern (Geophilomorpha) zu finden ist. Die Skolopenderartigen (Scolopendromorpha) stellen eine Zwischenstufe dar. Chilopoda sind weltweit verbreitet, sowohl in Regenwäldern als auch in Wüsten, vom Hochgebirge bis an die Meeresküste, einzig in der Antarktis fehlen sie.

Tausendfüßer (Diplopoda) sind weltweit mit ca 12.000 Arten bekannt (SIERWALD & BOND 2007), aktuelle Schätzungen belaufen sich auf ca 80.000 Arten (HOFFMAN 1980). Tausendfüßer sind bedeutende Streuzersetzer, besonders auf Sandböden (SCHAEFER 1990; CRAWFORD 1992; CURRY 1994; WOLTERS & EKSCHMITT 1997). Sie sind m.o.w. langgestreckt und meist mit einem dicken Kalkpanzer versehen. Einheimische Vertreter sind 5-45 mm lang. Fast alle Arten ernähren sich von Totholz und Laubstreu, welches sie mit starken Mandibeln zerkleinern. Die einzelnen Körpersegmente sind zu Doppelsegmenten verschmolzen, sodass jedes Körpersegment zwei Beinpaare trägt (VERHOEFF 1928; 1932). Häufig ist an jedem Körperring eine Wehrdrüse vorhanden, aus welcher zur Verteidigung giftige und übelriechende Substanzen ausgeschieden werden.
Auf den Ostfriesischen Inseln lassen sich zwei Lebensformtypen finden: Der besonders bei den Julida ausgeprägte Rammtyp entspricht dem "klassischen" Bild eines Tausendfüßers. Hier sind die einzelnen Körperringe wie Einschubzylinder halb ineinander verlagert, das erste Segment ist vergrößert und wird als Rammschild benutzt. Bei Gefahr rollen sich die Tiere in eine flache Spirale ein. Bei den Polydesmida ist der Keiltyp ausgeprägt. Hierbei sind die Tiere häufig bandförmig, der Körper ist dorsoventral abgeflacht, sodass die Tiere sich unter Rinde und Steine schieben können. Diplopoda sind mit Ausnahme der Arktis und Antarktis weltweit verbreitet. Ein Großteil der Arten zeigt eine deutliche Präferenz für feuchte Habitate, jedoch existieren auch einzelne spezialisierte, an das Überleben in Wüsten- und Steppengebieten angepasste Gattungen.

Einleitung

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Der Sandschnurfüßer Ommatoiulus sabulosus ist einer der größten und buntesten Tausendfüßer Deutschlands. Er wird fast 5 cm lang und ist besonders häufig in trockenen Lebensräumen wie Dünen zu finden (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).

Die Myriapoda bilden nach den Insekten und Spinnen die artenreichste Gruppe der landlebenden Gliedertiere. Von den Ostfriesischen Inseln wurden bislang nur wenige Hundertfüßer und Tausendfüßer nachgewiesen. Es handelt sich in allen Fällen um alte, im wesentlichen bereits bei BRÖRING et al. (1993: 20f.) referierte Daten. Im Folgenden werden die Artnachweise auf den aktuellen nomenklatorischen Stand gebracht und erstmals Präferenzen der einzelnen Arten für die jeweiligen Inselbiotope angegeben.

Vorläufiger Artenbestand auf den Ostfriesischen Inseln

Es liegen lediglich wenige, über 75 Jahre alte Meldungen von den Ostfriesischen Inseln vor: Für die Hundertfüßer existieren nur Funde von Borkum und Spiekeroog, welche insgesamt 4 Arten und damit etwa 8 % der in Deutschland zu findenden Arten umfassen. Alle vier Arten sind in Deutschland weit verbreitet und häufig (SPELDA 1991). Diese weite Verbreitung kann mit einer euryöken Lebensweise und einer Anpassung an synanthrope Lebensräume erklärt werden. Demzufolge ist keiner der auf den Ostfriesischen Inseln zu findenden Chilopoden in aktuellen Roten Listen zu finden (SPELDA 2004; VOIGTLÄNDER 2004a).

Tausendfüßer liegen außer von Baltrum und Langeoog von allen übrigen Inseln vor. Insgesamt wurden fünf Arten nachgewiesen, die aber nur 4 % der ca. 125 einheimischen Diplopodenarten (VOIGTLÄNDER 1992) entsprechen. Bei Tausendfüßern scheint die postglaziale Rückbesiedlung noch nicht abgeschlossen zu sein, da nur etwa 5-10 % der ca 2.000 mitteleuropäischen Arten allgemein verbreitet sind (DOHLE 1996). Es ist davon auszugehen, dass bei Nachsuche weitere Arten auf den Inseln nachzuweisen sind. Cylindroiulus latestriatus ist eine mittlerweile weltweit verschleppte stenöke Sandbodenart (HAACKER 1968b) und auf den Ostfriesischen Inseln entsprechend häufig, dennoch z.B. in Sachsen-Anhalt noch auf der Roten Liste geführt (VOIGTLÄNDER 2004b). Laut SCHUBART (1934) ist sie in trockenen Habitaten oft die einzige Diplopodenart. Ommatoiulus sabulosus, einer der größten und buntesten deutschen Tausendfüßer, ist bislang nur von Borkum nachgewiesen (SCHNEIDER 1898). Diese euryöke, auf Sandboden häufige Art ist in Deutschland weit verbreitet. Die drei weiteren auf Borkum gefundenen Tausendfüßerarten, Brachyiulus pusillus, Nopoiulus venustus und Brachydesmus superus sind europaweit, z.T. sogar weltweit verbreitete synanthrope Arten (THIELE 1968), welche in Habitaten wie Gärten zahlreich gefunden werden können.

Basierend auf einem Artikel von:

Thomas Wesener
Zoologisches Forschungsmuseum
Alexander Koenig
Adenauerallee 160
D–53113 Bonn
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Stand: 02/2009