Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Phytophage Käfer
der Ostfriesischen Inseln

Bockkäfer (Cerambycidae), Blattkäfer (Chrysomelidae), Blattwickler (Rhynchitidae), Spitzmausrüssler (Apionidae)
und Rüsselkäfer (Curculionidae)

Zusammenfassung

Auf den Ostfriesischen Inseln wurden bislang 434 Arten aus den Familien Bockkäfer (Cerambycidae), Blattkäfer (Chrysomelidae), Blattwickler (Rhynchitidae), Spitzmausrüssler (Apionidae) und Rüsselkäfer (Curculionidae) festgestellt. 372 Arten sind zum aktuellen Artenspektrum der Inselkette zu zählen. Sie repräsentieren einen Anteil von 23 % der deutschen bzw. 36 % der niedersächsischen Fauna.
Die Inselgröße und Biotopvielfalt hat einen wesentlichen Einfluss auf die Artenvielfalt der phytophagen Käfer. Viele Arten sind hochgradig spezialisiert oder sogar auf die Biotope der Küstenregion angewiesen. Da sich viele Lebensräume der Inseln relativ störungsfrei entwickeln konnten, kommen viele Arten vor, die in den Roten Listen verzeichnet sind oder sogar erstmals in der Weser-Ems-Region nachgewiesen wurden.

Summary

Phytophagous beetles of the East Frisian islands (Coleoptera: Cerambycidae, Chrysomelidae, Rhynchitidae, Apionidae, Curculionidae). - A total of 434 species of the phytophagous families longhorn beetles, leaf beetles, leaf-rolling weevils, straight-snouted weevils and true weevils have been recorded as yet from the East Frisian dune islands situated off the north German coast. 372 species are considered currently occurring on the islands. This amounts to 23 % of the coleoptera fauna of these families known from Germany and to 36 % known from Lower Saxony.
Species diversity of the phytophagous beetle fauna of a particular island is largely dependent on the island's size and range of available habitats. Due to the specific characteristics of the islands' habitats, many beetle species are highly specialised in their habitat requirements or even restricted to the beach habitats. Since many of the islands' habitats developed fairly unimpaired, they currently harbour a large number of species that are either listed as threatened or endangered or were recorded from the region between the Weser and Ems rivers for the first time.

Was sind... Phytophage Käfer?

Unter dem Begriff "phytophage Käfer" versteht man i.w.S. alle Vertreter, die sich von pflanzlichen Substanzen ernähren. I.e.S. beinhaltet diese Gruppe Arten, die fast ausschließlich lebendes pflanzliches Substrat fressen, wie es bei den hier bearbeiteten fünf Familien größtenteils der Fall ist. Nur unter den Bockkäfern (Cerambycidae) gibt es zahlreiche Arten, die zumindest als Larven im toten oder lebenden Holz von Bäumen oder verbautem Holz leben; sie werden als xylophag bezeichnet. Im Gegensatz zu vielen anderen phytophagen Käferfamilien zeichnen sich die Blattkäfer und Rüsselkäferartigen durch eine hohe Pflanzenspezialisierung aus. Viele Vertreter entwickeln sich ausschließlich an einer Pflanzenart oder an Pflanzen, die sehr nahe miteinander verwandt sind. Ihr Vorkommen ist deshalb stark mit der Verbreitung spezifischer Pflanzenarten verknüpft. Viele Arten der hier behandelten Familien haben eine Körpergröße von nur wenigen Millimetern. Der größte auf den Inseln lebende phytophage Käfer ist der Weberbock (Lamia textor) mit einer Körperlänge von bis zu 30 mm.

Die Familie der Bockkäfer (Cerambycidae) zeichnet sich dadurch aus, dass viele Arten (besonders die Männchen) extrem lange Fühler besitzen. Die Larven entwickeln sich hauptsächlich im Holz und können in der Forstwirtschaft sowie im Bauwesen beträchtlichen Schaden anrichten. Adulte Tiere findet man oft an Blüten. In Niedersachsen kommen 121, im Weser-Ems-Gebiet 75 Bockkäferarten vor.

Die Blattkäfer sind vom Aussehen her sehr unterschiedlich gestaltet. Hauptsächlich kommen rundlich ovale Formen vor. Daneben gibt es halbkugelig gewölbte, lang zylindrische, flach gerundete Körperformen. Oft sind die Blattkäfer bunt-metallisch gefärbt oder haben farbige Streifen-, Punkt- oder Fleckenmuster. Die Imagines und ihre Larven leben hauptsächlich an Kräutern und Blättern von Bäumen. Viele Arten können in der Kulturlandschaft schädlich werden. Zu den bekanntesten Blattkäfern gehört der Kartoffelkäfer. In Niedersachsen sind 326, im Weser-Ems-Gebiet 256 Arten verbreitet.

Das typische Merkmal vieler Rüsselkäferartiger ist, wie schon der Name andeutet, die schnauzen- bis rüsselartige Verlängerung des Kopfes, an dessen Ende sich die Mundwerkzeuge befinden. Ihre Ernährungsweise ähnelt der von Blattkäfern. Eine außergewöhnliche Lebensweise zeigen einige Blattwicklerarten (Rhynchitidae). Die Weibchen wickeln Blätter von Bäumen zu zylindrischen Rollen zusammen, in denen sich die Larven entwickeln. Die rüsselkäferartigen Familien sind mit 638 Arten in Niedersachsen und mit 475 Arten im Weser-Ems-Gebiet vertreten. Die Rüsselkäfer (Curculionidae) für sich sind nach den Kurzflüglern (Staphylinidae) mit 386 Arten die artenreichste Käferfamilie.

Die Käfer (Coleoptera) sind weltweit eine besonders artenreiche Insektenordnung, aus der nach KÖHLER und KLAUSNITZER (1998) 6479 Arten in Deutschland verbreitet sind. In Niedersachsen kommen 4591 Arten und im Weser-Ems-Gebiet 3536 Arten vor. Die hier berücksichtigten fünf Käferfamilien sind mit 806 Arten im Weser-Ems-Gebiet vertreten.

Einleitung

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Philopedon plagiatus ist ein sehr häufiger, charakteristischer Rüsselkäfer der offenen Dünenlandschaft, in der er sich bevorzugt an verschiedenen Dünengräsern entwickelt (Foto: H. Krummen).

Vor ca. 7.500 Jahren setzte an der nordwestdeutschen Küste die Entstehung der Ostfriesischen Inseln ein. In ihrer frühesten Entwicklungsphase erschienen sie als Sandplaten im Wattenmeer, die noch regelmäßig überflutet wurden. Vor etwa 3.000 Jahren entstanden durch Sedimentation überflutungsfreie Strandwälle, auf denen sandfestigender Pflanzenwuchs das weitere Wachstum der noch jungen Inseln förderte. Heute verfügen die Ostfriesischen Inseln über ein vielfältiges Landschaftsbild aus unterschiedlichen Dünen- und Salzwiesenbiotopen. Auf den bewohnten Inseln haben Siedlungen und andere anthropogene Lebensräume (Kleingärten, Parks, Groden) einen erheblichen Einfluss auf das natürliche Landschaftsbild genommen.

Auf den alten Ostfriesischen Inseln Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge hat sich zumeist in Nord-Süd-Richtung eine typische Abfolge verschiedener Landschaftselemente entwickelt, die mit den anthropogenen Bereichen den "Lebensraum Insel" durch eine hohe Heterogenität prägen. Auf den beiden jungen Inseln Memmert und Mellum hat sich das Landschaftsbild in einer derartigen Vielfalt noch nicht ausbilden können.

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Der Rüsselkäfer Cryptorhynchus lapathi ist ein typischer Besiedler von Gehölzen feuchter Dünentäler und Dünenrandbereiche. Seine Entwicklungspflanzen sind Erlen, Pappeln und Weiden, in deren Ästen sich die Larve entwickelt (Foto: H. Krummen).

Schon frühzeitig erkannte SCHNEIDER (1898), dass die der Küste vorgelagerten Inseln - entgegen der damaligen Meinung vieler Naturwissenschaftler - über eine artenreiche Tierwelt verfügen. Aufgrund der Fülle der in den letzten 25 Jahren gewonnenen Funddaten phytophager Käfer der Ostfriesischen Inseln wurden die bisherigen Angaben (vgl. BRÖRING et al. 1993) aktualisiert. Anhand "alter" (publizierter) und "neuer" (nicht publizierter) Daten wird auf die Präsenz, Häufigkeit und Biotoppräferenz der phytophagen Käfer eingegangen.

Artenüberblick

Auf den Ostfriesischen Inseln wurden bislang 434 Käferarten der hier behandelten Familien festgestellt, darunter 62 Arten, deren Vorkommen auf den Inseln erloschen sein dürfte. Die verbleibenden 372 Arten sind zum aktuellen Inventar der Inselkette zu zählen. Die meisten wurden in den Jahren 1982-1998 vom Verfasser nachgewiesen, der überwiegende Teil davon wird hier erstmals publiziert. Etliche Nachweise resultieren aus der vom Verfasser 1990 durchgeführten Revision der umfangreichen Käfersammlung von F. und R. Struve (archiviert im Westfälischen Landesmuseum für Naturkunde in Münster), die von 1932 bis 1946 auf Borkum 214 Arten der entsprechenden Käfergruppen zusammentragen konnten.

Die 372 Arten mit gesichertem oder wahrscheinlichem Vorkommen auf den Inseln repräsentieren einen Anteil von 23 % der deutschen Fauna dieser Familien (N = 1.619, vgl. KÖHLER & KLAUSNITZER 1998) bzw. einen Anteil von 36 % des niedersächsischen Artenspektrums (N = 1.043, vgl. ebenda).

Das größte Artenspektrum (inkl. der nicht indigenen Arten) entfällt mit 204 Arten auf die Rüsselkäfer (Curculionidae), es folgen mit 138 Arten die Blattkäfer (Chrysomelidae), 58 Arten die Spitzmausrüssler (Apionidae), 28 Arten die Bockkäfer (Cerambycidae) und mit 6 Arten die Blattwickler (Rhynchitidae).

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Der mit 4-6 mm Länge für einen Bockkäfer relativ kleine Pogonocherus hispidus entwickelt sich in den Ästen verschiedener Laub- und Nadelbäume. Auf den Ostfriesischen Inseln besiedelt er hauptsächlich Kriech-Weidengebüsche (Foto: H. Krummen).

Nur 21 Arten wurden auf allen Inseln festgestellt. Zu den häufigsten zählt der Rüsselkäfer Philopedon plagiatus, der in offenen Dünenbiotopen sehr hohe Populationsdichten erreicht. Ebenfalls häufig ist der an Gräsern lebende Chaetocnema hortensis. Ein charakteristischer Vertreter sandiger Biotope in unmittelbarer Meeresnähe (z.B. Vordünen, Dünenausläufer im oberen Salzwiesenbereich) ist der am Meersenf (Cakile maritima) lebende Blattkäfer Psylliodes marcida, der besonders auf Memmert und Mellum in hohen Abundanzen festgestellt wurde.

Mit 120 Arten wurde ein großer Anteil nur auf einer Insel festgestellt. Von diesen wurden viele nur vereinzelt gefunden. Da ihre spezifischen Nahrungs- und Entwicklungspflanzen auf den Inseln vorkommen, ist durchaus von ihrer Indigenität auszugehen.

Neue Arten für die Inselkette

Durch die eigenen Untersuchungen auf den Ostfriesischen Inseln wurden 41 bislang von der Inselkette nicht bekannte Arten nachgewiesen. Die Sammlung von F. und R. Struve erbrachte weitere 18 neue Arten. Von den Erstnachweisen gehören 6 den Bockkäfern, 7 den Blattkäfern, 2 den Blattwicklern, 5 den Spitzmausrüsslern und 39 den Rüsselkäfern an. Darunter wurden einige mit ausgesprochen hoher Individuendichte erfasst wie z.B. die Rüsselkäfer Barypeithes mollicomus (1644 Ind.) und Strophosoma melanogrammum (434 Ind.) sowie der Blattkäfer Crepidodera fulvicornis (274 Ind.). Eventuell haben diese Arten die Inseln erst kürzlich besiedelt. Andere kommen dagegen in so geringen Abundanzen vor, dass sie in früheren Jahren möglicherweise übersehen wurden.

Spezifische Arten der Küstenregion

Die außergewöhnliche Situation an der Meeresküste hat Arten entstehen lassen, die ausschließlich litorale Lebensräume besiedeln. Auf den Ostfriesischen Inseln können 16 Arten als ausgesprochene Küstentiere gelten. Die meisten Vertreter sind Salzwiesenkäfer (Tab. 1), einige andere leben im Vordünenbereich oder auf alten, abgetragen Dünenwällen im Übergangsbereich zu den Salzwiesen am Meersenf.

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Tab. 1: Ausschließlich bzw. bevorzugt in litoralen Lebensräumen vorkommende Arten.

Der Langklauen-Rohrblattkäfer (Macroplea mutica) ist (oft untergetaucht) auf Wasserpflanzen von Brackwassertümpeln und brackigen Gräben (siehe SCHNEIDER 1898) anzutreffen. Ausgesprochen ungewöhnlich ist der Lebensraum des Weiden-Rindenrüsslers (Pselactus spadix). Seine Larven entwickeln sich in vermorschten Holzstämmen von Befestigungsanlagen der Seehäfen. In Niedersachsen konnte er bislang nur an solchen Stellen festgestellt werden. Ähnliche Strategien werden auch dem Rothalsbockkäfer (Corymbia rubra) nachgesagt. Letzterer ist jedoch in ganz Deutschland verbreitet.

Einige Arten haben auf den Inseln zwar ihre Verbreitungsschwerpunkte, sie sind jedoch auch auf dem Festland in ähnlichen Lebensräumen anzutreffen. Auf den Inseln ist z.B. der Rüsselkäfer Philopedon plagiatus ein typischer Vertreter der Dünen und der oberen, sandigen Salzwiesenbereiche. Aber auch auf dem Festland ist er regelmäßig in offenen, sandigen Gegenden anzutreffen. Der Rüsselkäfer Notaris bimaculatus wird von TISCHLER (1980) als eine bevorzugt in Salzwiesen lebende (halotopophile) Art charakterisiert, sie kommt jedoch ebenso häufig an feuchten Stellen des Binnenlandes vor.

Faunistische Besonderheiten

Die Ostfriesischen Inseln stellen keine streng isolierten Lebensräume dar, sondern unterliegen einem ständigen Zustrom von Kolonisten vom Festland und von den benachbarten Inseln, während gleichzeitig Populationen abwandern bzw. aussterben. Aufgrund dieser Dynamik innerhalb der Artenzusammensetzungen finden fortwährend Veränderungen in der Lokalfauna statt. Das Hauptrekrutierungsareal für die Neu- bzw. Wiederbesiedlung der Inseln umfasst weitgehend das Weser-Ems-Gebiet. Aus dieser Region werden in einem Käferverzeichnis Deutschlands (BELLMANN 1998) 75 Bockkäfer-, 256 Blattkäfer-, 19 Blattwickler-, 70 Spitzmausrüssler- und 386 Rüsselkäferarten gemeldet, wobei die Nachweise drei Zeitintervallen zugeordnet werden: "nur vor 1900", "nur vor 1950" und "seit 1950". Durch eigene Untersuchungen und Daten der unveröffentlichten Käfersammlung von R. und F. Struve kann das Verzeichnis wie folgt ergänzt werden:

Neue Arten für das Weser-Ems-Gebiet:

Seit 1900 im Weser-Ems-Gebiet nicht mehr nachgewiesen:

Seit 1950 im Weser-Ems-Gebiet nicht mehr nachgewiesen:

Sonstige Arten:

Nicht indigene Arten

Durch Wind, Wasser und aktiven Überflug findet ein ständiger Zustrom von Tieren aus dem Festland und den benachbarten Inseln statt. Dieses Phänomen wird durch Spülsaumuntersuchungen belegt, die ALFKEN (1924), SCHNEIDER (1898), STRUVE (1940) und GRÄF (1987, 1992) auf den Inseln durchgeführt haben. In diesen Publikationen sind zahlreiche Arten verzeichnet, die in Spülsäumen erfasst wurden. Viele konnten im Inselinneren nicht wieder gefangen werden, sodass diese als nicht bodenständig zu betrachten sind. Besonders ergiebig waren die Spülsaumfunde von ALFKEN (1924) auf Memmert, durch die 62 Arten festgestellt werden konnten. Auffallend ist, dass es sich dabei vielfach um Vertreter handelt, die in Feuchtbiotopen verbreitet sind wie beispielsweise Arten der Blattkäfer-Gattung Donacia.

Neben natürlichen Ausbreitungsvorgängen können Aktivitäten des Menschen an der Besiedlung beteiligt sein. STRUVE (1940) berichtet, dass der Bockkäfer Plagionotus arcuatus in großer Zahl auf Eichenstämmen umherlief, die vom Festland nach Borkum transportiert wurden. In seinem natürlichen Lebensraum konnte er später jedoch nicht erfasst werden.

Als nicht indigen wurden auch diejenigen Arten eingestuft, die in untypischen Biotopen gefangen wurden wie z.B. der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata), der auf Norderney auf einem Gehweg gefunden wurde.

Für synanthrope Arten, z.B. den Hausbock (Hylotrupes bajulus), dessen Larven in verbautem Holz leben, oder die Kornkäfer Sitophilus granarius und S. oryzae, die in Getreidespeichern zu finden sind, wird ein aktuelles Vorkommen auf den Inseln für wenig wahrscheinlich gehalten.

Artenspektren der Inseln

Die Insel mit dem größten Artenspektrum (hier nur die indigenen Arten) ist Borkum (N = 286). Es folgen Langeoog und Norderney mit 207 bzw. 197 sowie Spiekeroog und Wangerooge mit jeweils 141 Arten. Deutlich artenärmer sind Juist mit 94, Mellum mit 84, Baltrum mit 83 und Memmert mit 79 Arten. Von den Inseln Lütje Hörn und Minsener Oog liegen keine Funde vor. Die großen Differenzen zwischen den Artenzahlen sind auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Zunächst begünstigen Flächengröße und Strukturvielfalt, die im Hinblick auf Artenvielfalt stets miteinander korrelieren, die Besiedlungsdichte phytophager Käfer. Dies zeigt sich durch die Artenfülle auf Borkum, die größte der Ostfriesischen Inseln. Ein weiteres Kriterium ist der Erfassungsstand. Von Baltrum, der kleinsten der bewohnten Inseln, liegen die wenigsten Käfernachweise vor. Die Ursachen dafür sind neben ihrer geringen Größe zum einen das Fehlen von Meldungen in der Literatur zum anderen die unzureichende Intensität eigener Nachforschungen. Die beiden kleinen, unbewohnten Inseln Memmert und Mellum besitzen aufgrund geringerer Ressourcen jeweils artenarme Käfergemeinschaften.

Neue Arten für die Inselkette

Obwohl von Borkum schon umfangreiche Käfermeldungen vorausgingen (z.B. SCHNEIDER 1898), können wegen intensiver Sammeltätigkeiten von Struve und eigener Untersuchungen in den Jahren 1997/98 der Insel 144 weitere Arten zugewiesen werden. Ebenfalls sehr hoch sind die Erstnachweise auf Wangerooge (N = 102) und Baltrum (N = 83), was auf unzureichende bzw. fehlende Untersuchungen zurückzuführen ist. Von den übrigen bewohnten Inseln liegen schon zahlreiche Käfermeldungen vor, sodass von diesen relativ wenige neue Arten vorzuweisen sind. Die jungen Düneninseln Memmert und Mellum wurden in den Jahren 1984-86 und letztmalig 1994/95 intensiv untersucht; die Ergebnisse über die phytophagen Käfer wurden publiziert (KRUMMEN 1988, 2002). Daten aus jüngeren Untersuchungen liegen nicht vor.

Die Artengemeinschaften der Inselbiotope

Zur Beschreibung der Käfergemeinschaften der Inselbiotope wurden nur Arten aus der "Kollektion Krummen" berücksichtigt, da nur diese weitgehend aus quantitativen Fängen hervorgehen, wodurch ein Bezug zum jeweiligen Biotoptyp genauer herzustellen ist.

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Abb 1: Verteilung der Arten der Inselkette aufgrund ihrer Biotoppräferenzen.

Die höchsten Arteninventare zeigen die offenen (gehölzfreien) Bereiche der Tertiärdünen, oberen Salzwiesen, Groden und Ruderalfluren, in denen bis zu 100 Arten verbreitet sein können (Abb. 1). Ein hoher Anteil an krautartigen Pflanzen wirkt sich günstig auf die Besiedlung dieser Biotope aus, da viele phytophage Käfer sich an ihnen entwickeln. Die durch Gehölze geprägten Lebensräume weisen dagegen deutlich artenärmere Lebensgemeinschaften auf. Am häufigsten sind arboricole Käfer an den Salix-Beständen der feuchten Dünentäler anzutreffen. Extremlebensräume wie Primär- und Sekundärdüne mit den beständigen Sandbewegungen oder tiefer gelegene Salzwiesen mit den regelmäßigen Überflutungen werden von nur wenigen Arten besiedelt. Oft sind die dort lebenden Käfer hochgradig spezialisiert und nur hier anzutreffen (siehe Tab. 1).

Biotoppräferenz und Biotopbindung

Je nach Grad der Biotopbindung wird zwischen eurytopen und stenotopen Vertretern differenziert. Die eurytopen, also sehr anspruchslosen Käfer sind mit 133 Arten vertreten (vgl. Abb. 1). Arten, die schon eine leichte Tendenz zu einer gewissen Lebensraum-Spezialisierung zeigen (z.B. Bodenfeuchtigkeit, Vegetationsstruktur), werden als eingeschränkt eurytop bezeichnet; sie kommen auf den Inseln mit 71 Arten vor. Besonders artenreich (N = 166) ist die Gruppe der hochgradig spezialisierten (stenotopen) Käfer. Die meisten Arten (N = 60) sind an offene, feuchte Lebensräume gebunden; viele andere (N = 52) besiedeln dagegen ausschließlich Trockenrasenbiotope. Eine extrem auf Gehölze geprägte Biotopbindung konnte bei 41 Arten festgestellt werden. In Biotopen im Einflussbereich des Meeres leben 13 stenotope Arten.

Die ökologische Bedeutung der Inseln für die Region

Die große Zahl hochgradig spezialisierter Arten und auch die vielen Arten, die, bezogen auf das Weser-Ems-Gebiet, bislang nur auf den Inseln festgestellt wurden, belegen, dass Inselbiotope mit außergewöhnlichen ökologischen Qualitäten ausgestattet sind. Die vielen phytophagen Käfer, die auf den Inseln verbreitet und in der Roten Liste Deutschlands (GEISER 1998) und des deutschen Wattenmeeres (SUIKAT & ASSMANN 1995) verzeichnet sind, unterstreichen zusätzlich den hohen Stellenwert der Inselbiotope als Refugium seltener und gefährdeter Arten. So werden nach der Roten Liste Deutschlands 26 Arten als gefährdet eingestuft, 4 Arten sind stark gefährdet und eine Art ist vom Aussterben bedroht. In der Roten Liste des Wattenmeer- und Nordseebereichs gelten 12 Arten als gefährdet und 6 Arten als stark gefährdet, 2 Arten sind vom Aussterben bedroht. Entsprechend dem ausgeprägten Anspruchsprofil vieler Arten und zahlreicher selbst überregional gefährdeter Arten ist die Präsenz von phytophagen Käfern auf den Inseln maßgeblich durch den Schutz der natürlichen und naturnahen Inselbiotope zu sichern.

Basierend auf einem Artikel von:

Heinrich Krummen
D-26349 Jade

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Stand: 02/2009