Auf den Ostfriesischen Inseln wurden bislang 30 Köcherfliegenarten nachgewiesen, von denen 29 zumindest temporär bodenständig sind. Dieses Artenspektrum entspricht einem Anteil von weniger als 10 % der für Deutschland bekannten Arten. Geeignete Lebensräume sind für Köcherfliegen auf den Inseln nur sehr eingeschränkt vorhanden. Süßgewässer im Dünen- und Grodenbereich werden gelegentlich besiedelt. Für Eintagsfliegen gibt es lediglich alte Meldungen von Borkum und Memmert, sodass aktuelle Vorkommen auf den Inseln ungewiss sind.
Caddis flies and mayflies of the East Frisian islands (Trichoptera, Ephemeroptera). - On the East Frisian islands,
30 species of caddis flies are currently recorded, 29 of which are considered at least temporarily indigenous. Less than
10% of the German Trichoptera fauna is represented on the islands. Suitable habitats for Trichoptera species are severely
limited. Only freshwater habitats in dunes and poldered marshland areas (Groden) are sometimes colonised. Whether
reproduction is sustained on the islands, remains at least doubtful for many species.
Mayflies have not been recorded from the islands during the past 30 years. Only few specimens were found on the islands
of Borkum and Memmert several decades ago. The current occurrence of Ephemeroptera species on the islands is dubious.
In Deutschland kommen 313 Arten (ROBERT 2001) aus 19 Familien, in Mitteleuropa ca. 700 Arten aus der Gruppe der
Köcherfliegen vor. Im Gegensatz zu den
Lepidopteren sind die Flügel der Trichopteren behaart, nicht beschuppt und werden
in Ruhestellung meist dachartig über den Hinterleib gelegt. Die Larven vieler Arten leben räuberisch, die Imagines nehmen,
wenn überhaupt, Wasser und Nektar auf (leckende Mundwerkzeuge). Mit einer
Ausnahme (gen. Enoicyla, hier E. pusilla) erfolgt
die Larvalentwicklung der Arten in Süßgewässern, artspezifisch in
stehenden oder fließenden Gewässern, wobei ein Großteil
der Arten in charakteristischen, selbstgebauten Wohnröhren, den Köchern lebt, in denen dann auch die Verpuppung erfolgt.
Die Puppen vieler Arten sind beweglich, die Imagines leben in Gewässernähe, die Eiablage erfolgt oft an Pflanzen, Steinen
oder Treibgut oder indem Gallertpakete direkt ins Wasser abgegeben werden. Die Ansprüche an die Habitatbedingungen sind
bei dem meisten Arten relativ hoch, in stärker belasteten Gewässern kommen kaum Köcherfliegen vor.
Die Artenzahl nachgewiesener Eintagsfliegen in Deutschland beträgt 113
(HAYBACH & MALZACHER 2003). Die meisten Arten leben
in bzw. an Fließgewässern, geeignete Habitate für diese Tiergruppe sind auf
den Ostfriesischen Inseln kaum vorhanden. Ob es
gelegentlich zu einer erfolgreichen Reproduktion auf den Inseln kommt, ist unklar.
Die in Niedersachsen stark gefährdete Köcherfliege Limnephilus incisus
wurde auf mehreren Inseln an den Gewässern im Tertiärdünenbereich erfasst. (Foto: H. Faasch).
In diesem Beitrag wird ein Überblick über den historischen und aktuellen Artenbestand der Köcher- und Eintagsfliegen auf den Ostfriesischen Inseln gegeben. Die Ergebnisse aus der Zeit um 1990 können mit denen aus den Zeiträumen um 1900 und 1930 (unter Einschluss der Informationen über das Vorkommen von Eintagsfliegen) verglichen und Rückschlüsse auf die Besiedlung der Inseln gezogen werden.
jährigen Erfassungen auf Borkum 14 Köcherfliegenarten an und führt die ihm bekannten Meldungen von Juist (nach Erfassungen von Alfken) auf. ALFKEN (1924) erfasste 1917 und 1918 auf dem Memmert ebenfalls 14 Arten, von denen aber 6 ausschließlich im Spülsaum oder im Hausteich tot aufgefunden wurden. Für Mellum wird von ALFKEN (1930) nur eine Art angegeben. Demnach waren für die Ostfriesischen Inseln bis 1930 insgesamt 17 Arten bekannt. Zwischen 1933 und 1935 sammelten F. und R. Struve auf Borkum 17 Arten; 7 der von SCHNEIDER (1898) für diese Insel angegebenen Arten wurden dabei bestätigt (vgl. BRÖRING 1998). Die damaligen Aufsammlungen erfolgten durch Netzfänge in verschiedenen Biotopen der Insel.
Bei umfangreichen faunistisch-ökologischen Untersuchungen der Süß- und Brackgewässer der Ostfriesischen Inseln von 1992 bis 94 (NIEDRINGHAUS & ZANDER 1998) wurden auch Köcherfliegen als Beifänge ausgewertet (BRÖRING 1998); zwei Erstnachweise für die Inselkette konnten registriert werden.
Für die Ostfriesischen Inseln wurden bislang 30 Köcherfliegenarten nachgewiesen (Tab. 1). Bei 29 Arten ist mindestens von einer zeitweiligen Reproduktion auf den Inseln auszugehen (Larvenfunde in Gewässern, hohe Abundanz in Gewässernähe, vgl. BRÖRING 1998). Das Inselspektrum entspricht nur etwa 10 % des deutschen Artenbestandes. Insgesamt 6 Arten sind bundes- und/oder landesweit gefährdet (KLIMA 1998, REUSCH & HAASE 2000). Die Inseln sind hinsichtlich der Trichopteren sehr ungleichmäßig untersucht: Auf der Insel Borkum wurden durch vergleichsweise intensive Erfassungen 26 Arten erfasst, von den anderen Inseln liegen lediglich vereinzelte Funde (oft als Beifänge) vor.
Tab. 1: Artenzahlen der Köcherfliegen auf den Ostfriesischen Inseln.
Nach den Angaben in SCHNEIDER (1898) und ALFKEN (1924) zu Häufigkeit, Habitat und Erfassungsumständen kann mindestens bei Grammotaulius nitidus und Limnephilus affinis von zeitweiliger Indigenität auf Borkum und Memmert ausgegangen werden, evtl. auch bei Agrypnia varia und Limnephilus marmoratus. Eine Indigenität in den 30er Jahren kann wenigstens für Agrypnia varia, Limnephilus affinis, Grammotaulius nitidus, Limnephilus incisus, L. luridus und Athripsodes aterrimus angenommen werden (BRÖRING 1998).
Der Fund von Ylodes reuteri durch F. Struve (unveröff. Tagebuchaufzeichnungen, G. Ulmer, Hamburg, det.) war für lange Zeit der einzige Fund für Niedersachsen (vgl. REUSCH & HAASE 2000), bis ROBERT (2001) die Art sowohl für das niedersächsische Berg- als auch das Tiefland meldet (Reusch in litt.). Eine Indigenität auf den Ostfriesischen Inseln erscheint eher unwahrscheinlich.
Limnephilus auricula ist eine der häufigeren Köcherfliegen auf den
Ostfriesischen Inseln, die auch mindestens zeitweise indigen ist. Sie wurde auch auf
Mellum in den 80er Jahren gefunden. Die Art kommt an Kleingewässern im Graudünenbereich vor (Foto: H. Faasch).
Arten- und Individuendichten der Köcherfliegen der Inseln sind vergleichsweise gering. Das Angebot geeigneter aquatischer Lebensräume ist auf den Inseln gering, es fehlen größere Seen und Weiher sowie divers strukturierte Fließgewässer. Das Artenspektrum besteht aus allgemein verbreiteten und häufigen, eher eurytopen Arten kleinerer Still- und Fließgewässer Nordwestdeutschlands. Es werden ausschließlich Süßgewässer in Tertiärdünen und Innengroden besiedelt. Limnephilus affinis war und ist auf den Inseln am häufigsten.
Für die Eintagsfliegen liegen nur wenige Angaben für die Inseln vor. Für Borkum wurden nur Cloeon dipterum und Procloeon bifidum angegeben, für Memmert lediglich Cloeon dipterum als nicht indigene Art (ALFKEN 1924). Bei der in den Tagebuchaufzeichnungen von F. Struve vermerkten Cloeon inscriptum für Borkum handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um C. dipterum (Reusch in litt.).
Von Cloeon dipterum, einer der häufigsten heimischen Eintagsfliegen,
liegen lediglich vereinzelte alte Nachweise von
den Ostfriesischen Inseln vor. Vertreter dieser Gruppe dürften aufgrund fehlendener Entwicklungsgewässer
auf den Inseln lediglich als verdriftete Exemplare zu erwarten sein (Zeichnung: M. Stöckmann, Original).
Neuere Funde von Eintagsfliegen auf den Inseln liegen nicht vor. Die Durchsicht der Beifänge ergab keine Hinweise auf aktuelle Präsenz von Vertretern dieser Gruppe. Geeignete Habitate für diese Tiergruppe sind auf den Ostfriesischen Inseln kaum vorhanden, bei intensiver Nachsuche könnten aber häufigere Arten des angrenzenden Festlandes gefunden werden.
Der Vergleich der Artenspektren aus drei Zeiträumen (um 1900, 1930 bzw. 1990) ergibt, dass einige Arten offensichtlich über längere Zeit auf den Inseln indigen sind, andere dagegen nur zeitweilig. Extinktionen und Wiederbesiedlung vom angrenzenden Festland oder von benachbarten Inseln können ständig erfolgen. Die Artenvielfalt der einzelnen Inseln ist dabei weniger von dem Isolationsgrad oder der Flächengröße abhängig, sondern vielmehr von der speziellen Ausstattung mit geeigneten Lebensräumen (BRÖRING 1998), insbesondere dem Vorhandensein süßer Gewässer mit hoher Gewässergüte ("sauberes" Wasser mit relativ hohem Sauerstoffgehalt und geringer organischer Belastung). Inwieweit und wie lange die indigenen Populationen auf den Inseln kurzfristigen Salzeinfluss in den Gewässern überdauern können, lässt sich aufgrund des vorliegenden Datenmaterials nicht entscheiden.
PD Dr. Udo Bröring
Brandenburgische Technische Universität Cottbus
Lehrstuhl Allgemeine Ökologie
Postfach 101344
D-03046 Cottbus
Copyright © by M. Bretfeld 2009
Stand: 02/2009