Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Wangerooge

wangerooge1
Blick von Westen auf Wangerooge (Foto: H. Kolde, 2001)

Wangerooge ist mit 9,5 km² Fläche bei einer Länge von ca. 8 km und einer maximalen Breite von 1 km nach Baltrum die zweitkleinste Ostfriesische Insel. Der geringste Festlandsabstand beträgt wie bei der Nachbarinsel Spiekeroog 6,5 km.

wangerooge-uebergg_nieleb-rath (26K)
Befestigter Dünenübergang zum Strand (Foto: Nielebock/Rath, 2005)

Ähnlich wie Baltrum und Spiekeroog gehört Wangerooge zu den Inseln, deren Lage und Gestalt sich im Verlauf der letzten Jahrhunderte nachhaltig geändert haben. Die heutige Form mit dem markanten südwestlichen Fluthaken und der Lagune, dem zentralen Dünenkern mit der Ortschaft und dem südöstlich orientierten spornartigen Dünenzug ist in hohem Maß auf Küstenschutzmaßnahmen zurückzuführen. Von 1650 bis heute hat sich die Insel ca. 2 km ostwärts und 1 km südwärts verlagert, während sie im Osten 4 km zulegte. Das Westende Wangerooges befand sich einst dort, wo heute das Ostende der Nachbarinsel Spiekeroog liegt.

wangerooge2
Blick aus der Inselbahn auf die südwestlichen Salzwiesen. Im Hintergrund der neue Westturm, das Wahrzeichen Wangerooges (Foto: A. Rath, Juli 2005).

Die erste urkundliche Erwähnung Wangerooges datiert aus dem Jahre 1306. Eine frühe Besiedlung ist durch Angaben aus dem Jahr 1327 belegt. Aufgrund der Erosionen am Westende musste das Dorf mehrfach nach Osten verlegt werden. Die "Ostwanderung" Wangerooges lässt sich am besten durch den zwischen 1597 und 1602 im damaligen Inselzentrum erbauten "Hohen Turm" manifestieren, den wohl ersten durch Leuchtfeuer ausgestatteten Turm an der deutschen Nordseeküste (STREIF 1990). 250 Jahre später fiel das Westdorf 1854/55 den Sturmfluten zum Opfer und musste ostwärts verlegt werden; der "Westturm" befand sich freistehend auf dem Strand. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er aus militärischen Gründen gesprengt. Im Jahr 1933 wurde das Inselwahrzeichen durch die südöstliche Errichtung eines dem alten Turm stilistisch nachempfundenen neuen "Westturms" wiederhergestellt. In dem 53 m hohen Gebäude ist heute die Wangerooger Jugendherberge untergebracht.

wangerooge3
Deckwerk auf der Nordseite Wangerooges (Foto: Nielebock/Rath, 2005)

Den massiven Erosionserscheinungen im Westen versuchte man ab etwa 1818 durch Schutzmaßnahmen zu begegnen. Erfolgreich waren die Bemühungen aber erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als durch eine Festlegung Wangerooges im Westen die Stabilisierung des Jadefahrwassers für den Marinehafen Wilhelmshaven erreicht werden sollte. Heute ist die Nord- und Westseite Wangerooges durch massive Deckwerke und zahlreiche Buhnen gesichert. Außerdem müssen als zusätzliche Inselschutzmaßnahme immer wieder Strandaufspülungen durchgeführt werden.

biotoptypen-tab42
Tab.1: Verteilung der Biotoptypen auf Wangerooge.

Im Zentrum des Westteils liegt der 47 ha große, 1912 eingedeichte Westinnengroden, ein ausgesüßtes, in Deichnähe noch stellenweise leicht halomorphes Grünland, das größtenteils als Pferdeweide genutzt wird. Ein weiterer, ca. 100 ha großer Grünlandbereich existiert im Osten Wangerooges, der 1923-25 eingedeichte Ostinnengroden, auf dem sich große Weiden und der Flugplatz befinden. Im nordöstlichen Teil liegen feuchte, extensiv bewirtschaftete Flächen mit für die Inselkette einzigartigen Orchideenbeständen. Der bereits 1902 im Süden des Dorfes eingedeichte Dorfgroden ist bereits zu einem Großteil bebaut worden. Nach den Überflutungen sämtlicher Innengroden während der schweren Sturmflut 1962 wurden alle Deiche erhöht und verstärkt. Fast ein Viertel der Fläche Wangerooges ist damit eingedeichtes Grünland (Tab. 1), nach Borkum der höchste Flächenanteil auf einer Ostfriesischen Insel.

Der Anteil der Dünenbereiche ist auf Wangerooge relativ gering. Der zentrale Dünenkomplex wird zur Hälfte von Siedlungsflächen überdeckt, die mit insgesamt 117 ha den höchsten Insel-Flächenanteil (18 %) von allen Ostfriesischen Inseln einnehmen. Das nach den Sturmflutschäden 1854/55 in die damaligen "Ostdünen" verlagerte Dorf hat sich durch unmittelbar wieder einsetzenden Fremdenverkehr stark vergrößert. Heute haben auf der Insel 970 Menschen ihren 1. Wohnsitz (Stand 2005); sie leben ausschließlich vom Tourismus. An Spitzentagen verzeichnet das niedersächsische Staatsbad und anerkannte Nordseeheilbad Wangerooge 8.000 Übernachtungs- und 2.000 Tagesgäste.

wangerooge4
Wattseitige Steinaufschüttungen auf der Ostseite von Wangerooge zum Erosionsschutz (Foto: Nielebock/Rath, 2005)

Die Dünenentwicklung auf Wangerooge wurde maßgeblich durch den Menschen beeinflusst: Der geradlinige Dünenzug an der südlichen Westkante wurde durch 1936 ausgebrachte Buschzäune und weitere Schutzmaßnahmen (u.a. vorgeschütteter Steindamm) geschaffen. Auch im Osten wurde ab 1910 die Dünenentwicklung maßgeblich durch Buschzäune unterstützt. Im Zuge von Schutzmaßnahmen für die Bahnlinie zum Ostanleger entstand der langgestreckte, stellenweise nur 100 m breite Dünenzug "Steert" ("Schwanz").

Der 1904 gebaute Ostanleger, der eine gezeitenunabhängige Verbindung zum Festland ermöglichte, wurde 1958 aufgegeben. Seit 1984 wird versucht, die wattseitige Erosion des Osthakens durch Steinaufschüttungen zu verhindern.

Auf Wangerooge fehlen fast überall Vordünenfelder; mit insgesamt 1,4 ha weist die Insel den mit Abstand geringsten Flächenanteil dieses Biotoptyps von allen Inseln auf (Tab. 1). Stellenweise ragen die Weißdünen steil vom Strand auf, östlich des Ortes finden sich z.T. kliffartige Abbruchkanten.

wangerooge4a
Dünengebüsche aus Kartoffelrosen, Weiden und Kiefern im Graudünenkomplex (Foto: Nielebock/Rath, 2005)

Der westlich der Ortschaft gelegene Graudünenkomplex ist weitgehend durch Krähenbeer-Heide und Dünengebüsche (oft ausschließlich Kartoffel-Rose) bedeckt. Außerdem finden sich in den tiefer gelegenen Bereichen zahlreiche, z.T. anmoorige Kleingewässer, deren Wasserstand im Jahresverlauf starken Schwankungen unterliegt.

Wangerooge verfügt über ein für die Inselkette einzigartiges Gewässersystem: Infolge eines schweren Bombenangriffs im April 1945, bei dem in 15 Minuten 6.000 Bomben abgeworfen wurden und 311 Menschen starben, entstanden Hunderte von z.T. tiefen Kratern, die sich in den tiefer gelegenen Bereichen anschließend mit Regenwasser und Wasser der Süßwasserlinse (Dünen, Innengroden) bzw. Brackwasser (Außengroden) füllten. In ihnen entwickelten sich im Laufe der Jahre zumeist nur wenige Quadratmeter große Süß- bzw. Brackwasserbiotope. Ihre Zahl dürfte anfänglich mindestens 500 betragen haben. Durch Verlandung, Verfüllung und Bebauung ist fast die Hälfte dieser Sonderbiotope verschwunden. Insgesamt dürften auf Wangerooge heute noch etwa 200 bis 250 regelmäßig mindestens bis zum Frühsommer wasserführende Süßwassertümpel vorhanden sein: Im westlichen Innengroden inkl. des Dünengebiets westlich der Saline finden sich ca. 60 Kleingewässer, die je nach Lage temporär leicht brackig bis süß-anmoorig sind.

wangerooge5
Die westlich des Ortes gelegenen "Eisteiche" wurden früher von den Inselbewohnern zur Roheisgewinnung angelegt. Von den ehemals 14 Teichen sind nur noch 5 erhalten, die allerdings von Verbuschung bedroht sind (Foto: S. Nielebock, Juli 2005)

Im Dünenbereich westlich des Friedhofs liegen ca. 50 anmoorige Tümpel; außerdem finden sich hier mehrere größere Gewässer, die sog. "Eisteiche", die im 19. Jahrhundert zur Eisgewinnung geschaffen wurden. Fast sämtliche dieser Dünengewässer sind von Verlandung und/oder Verbuschung bedroht. Im Ostinnengroden befinden sich ca. 100 Bombentrichter-Kleingewässer auf den Grünlandflächen. Viele sind durch Viehtritt und Bisamtätigkeiten beeinträchtigt. Westlich des Klärwerks im sog. "Trichterfeld" befinden sich noch mindestens 100 weitere Bombentrichter, deren Gewässer-Charakter durch die mittlerweile extrem dichte Verbuschung der Fläche allerdings in den meisten Fällen nicht mehr gegeben sein dürfte. Im Sommer fällt etwa die Hälfte der Kleingewässer Wangerooges regelmäßig trocken, in heißen und niederschlagsarmen Sommern trocknet nahezu das gesamte limnische Gewässersystem bis auf 10 bis 20 "Rückzugstümpel" aus.

Eine weitere Besonderheit Wangerooges ist die im südwestlichen Watt gelegene Westlagune, ein ausgedehntes, verzweigtes Salzwasserseengebiet, das 1912 durch Sand- und Schlickentnahme für den Bau des Westgrodendeiches entstand.

Basierend auf einem Artikel von:

Dr. Rolf Niedringhaus
Prof. Dr. Volker Haeseler
Prof. Dr. Peter Janiesch
Carl-von-Ossietzky-Universität
Fakultät V, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
D-26111 Oldenburg
email-grafik-wangerooge

Impressum

Copyright © by A.Teske 2009
Stand: 02/2009