Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Zur Brackwespenfauna
der Ostfriesischen Inseln

(Hymenoptera: Braconidae)

Aktueller Artenbestand anhand von Literaturdaten

Zusammenfassung

Von den der nordwestdeutschen Küste vorgelagerten Ostfriesischen Inseln sind bislang 110 gesicherte Artnachweise für die Gruppe der Brackwespen zu verzeichnen. Es handelt sich ausschließlich um alte bis sehr alte (über 100 Jahre) Meldungen hauptsächlich von der Insel Borkum, die durch kritische Auswertung der Literatur aufgelistet werden. Diese Nachweise entsprechen einem Anteil von etwa 7 % des deutschen Artenbestandes, was auf ein sehr hohes Erfassungsdefizit schließen lässt. Zu erwarten wären etwa 350 - 400 Arten.

Summary

State of knowledge of braconid wasps on the East Frisian islands (Hymenoptera: Braconidae). Critical species check list based on data from the literature. - A total of 110 proven records of braconid species are hitherto available from the East Frisian dune islands situated off the German Wadden Sea coast. All of the records are old to very old (dating back to the past centuries) and most of them come from Borkum island. A check list is presented based on a critical examination of the available records and literature. The records available from the islands represent merely about 7 percent of the German braconid fauna, which is attributable to a low level of collecting. The islands' braconid fauna is expected to comprise 350 to 400 species.

Was sind... Brackwespen?

Brackwespen (Braconidae) sind im Unterschied zur nah verwandten Familie der Ichneumonidae (Echte Schlupfwespen) meistens schwerfällige und langsame Flieger. Ihre Körperlänge liegt meist bei 2-6 mm, in seltenen Fällen auch über 15 mm. Ihre Grundfarbe ist meist schwarz, z.T. auch rotbraun. Von den Ichneumoniden sind sie durch die Position der "rückläufigen Ader" im Hinterflügel (s. Abb. 1) und auch durch das Fehlen der "2. rückläufigen Ader" im Vorderflügel relativ leicht zu unterscheiden. Flügellose oder brachyptere Vertreter kommen relativ selten vor; sie lassen sich durch die verwachsenen 2. und 3. Hinterleibssegmente erkennen, ein Merkmal, das bei allen Brackwespen auftritt.

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Abb 1: Relative Position der "rückläufigen" Ader im Hinterflügel einer Ichneumonide (oben) bzw. einer Braconide (unten).

Von Arten der Gattung Syntretus abgesehen sind alle Braconiden primäre Ekto- oder Endoparasitoide bei Vertretern der verschiedensten Insektenordnungen. Bevorzugt werden Larven parasitiert, seltener Imagines. Relativ viele Unterfamilien sind spezialisiert auf eine Wirtsgruppe, z.B. die Aphidiinae auf Blattläuse, die Alysiinae und Opiinae auf höhere Fliegen, die Blacinae, Doryctinae und Helconinae auf Käfer, die Ichneutinae auf Pflanzenwespen sowie zahlreiche Unterfamilien auf Schmetterlinge. Als weitere Wirte sind u.a. zu nennen: Wanzen (Heteroptera), Staubläuse (Psocoptera), Florfliegen (Neuroptera: Chrysopidae) und Schnabelfliegen (Mecoptera). Brackwespen sind wichtige "regulative Elemente" im Ökosystem; viele Arten werden daher bei der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt.
Die Zahl der aus Deutschland bekannten Braconiden beträgt ca. 1.500 (1485 Arten nach BELOKOBYLSKIJ et al. 2003 bzw. 1517 Arten in der Datenbank zur Fauna Europaea, VAN ACHTERBERG 2006).

Einleitung

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Idiasta maritima (hier: Weibchen) ist ein Parasitoid von Fliegenmaden (Muscidae) in verrottendem organischen Material in Wassernähe.

Brackwespen sind mit weltweit etwa 17.500 beschriebenen Arten eine der größten Familien der Ordnung Hymenoptera. Viele Arten sind noch unbeschrieben. Dies trifft auch für Europa zu.

Über die Brackwespenfauna der Ostfriesischen Inseln ist nicht sehr viel bekannt. Im Gegensatz zu anderen Gruppen der parasitischen Hymenopteren (Ichneumonidae, vgl. HORSTMANN 2008; Chalcidoidea, vgl. VIDAL 2008) gibt es keine jüngeren Daten. Die vorhandenen Angaben sind vielfach über 100 Jahre alt und beschränken sich in erster Linie auf die Insel Borkum.

Im Folgenden wurde durch Auswertung sämtlicher Literaturdaten ein kritisches Artenverzeichnis der Brackwespenfauna der Ostfriesischen Inseln erstellt. Dabei wurden die in der ersten Zusammenstellung (BRÖRING et al. 1993: 101-102) aufgelisteten alten Meldungen neu bewertet und das gesamte Artenverzeichnis wurde auf den neuen nomenklatorischen Stand (BELOKOBYLSKIJ et al. 2003) gebracht.

Die dem südlichen Rand der nordwestdeutschen Küste vorgelagerte, ca. 90 km lange ostfriesische Inselkette besteht aus einer Gruppe von 7 größeren, etwa 3.000 Jahre alten und vom Menschen bewohnten Düneninseln (Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog, Wangerooge) sowie aus einer Gruppe von 4 kleineren, wesentlich jüngeren und unbewohnten Inseln (Lütje Hörn, Memmert, Minsener Oog, Mellum). Aufgrund der im Wattenmeer rasch ablaufenden Veränderungen haben sich auf allen Inseln zahlreiche spezielle Küstenbiotope mit hoher Dynamik sowie mit sehr hoher kleinräumiger Biotopdiversität entwickelt. Dies hat ein hohes Ressourcenpotenzial für besiedelnde Organismen zur Folge (Biotoptypen, vgl. EGGERS et al. 2008).

Datengrundlage

Die meisten Daten zur Brackwespenfauna der Ostfriesischen Inseln stammen aus dem vorletzten Jahrhundert von SCHNEIDER (1898). In der Zusammenstellung der Fauna der Inselkette unter besonderer Berücksichtigung von Borkum wurden bereits über 70 Brackwespenarten aufgelistet. Durch eine weitere Erfassung der Borkumer Insektenfauna konnten F. und R. Struve in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts über 30 weitere Brackwespenarten melden (STRUVE 1940, inkl. unpubl. Angaben in persönlichen Aufzeichnungen). Die jungen Inseln Memmert und Mellum wurden in den 1930er Jahren im Hinblick auf ihre Insektenfauna eingehend untersucht (ALFKEN 1924, 1930). Dadurch wurden 4 weitere Nachweise erbracht.

Kritische Bewertung der Literaturdaten

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Chelonus oculator (hier: Weibchen) ist ein Endoparsitoid diverser Raupen. Die Imagines finden sich auf Blütenpflanzen unterschiedlicher Lebensräume.

Die Artenliste im Anhang ist das Ergebnis einer kritischen Bewertung der alten Literaturdaten. Sammlungen konnten bislang nicht überprüft werden. Die Sammlung von Oskar Schneider ist nicht mehr erhalten. Mit Otto Schmiedeknecht (Blankenburg) hatte allerdings einer der seinerzeit wenigen Experten für europäische Ichneumonoidea (Braconidae und Ichneumonidae) die Bestimmung des Materials von O. Schneider übernommen, sodass Zweifel in den überwiegenden Fällen unbegründet sind. Das von Fritz und Richard Struve gesammelte Braconiden-Material ist noch in weiten Teilen erhalten (Landesmuseum Münster, Westfalen), konnte jedoch noch nicht eingesehen werden. Es wurde von Karl Hedwig (Breslau) bestimmt, der wenig Erfahrung bei der Bestimmung von Braconiden hatte. Die von ihm gemeldeten Arten kommen allerdings in den meisten Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Inselkette vor.

Die Liste wurde bereinigt von offensichtlichen Fehl- und Doppelmeldungen (vgl. erste Zusammenstellung in BRÖRING et al. 1993: 101-102). Bei Meldungen, denen offensichtlich mehr als eine Art zugrunde lag, wurde die häufigere oder die wahrscheinlichere Art in die Liste aufgenommen.

Vorläufiger Artenbestand

In der Artenliste im Anhang werden insgesamt 110 Braconiden aus 18 Unterfamilien aufgelistet, darunter 3 nicht bis auf Artniveau bestimmte Taxa (vgl. auch Tab. 1). Obwohl viele Meldungen über 100 Jahre zurückliegen, dürften die betreffenden Arten in den meisten Fällen auch heute noch zum indigenen Artenbestand der Inselkette zählen.

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Tab. 1: Auf den Ostfriesischen Inseln nachgewiesene Brackwespen.

Die auf den Inseln festgestellten Arten machen nur einen Anteil von etwas mehr als 7 % des deutschen Bestandes (N = ca. 1.500, s.o.) aus. Dieser im Vergleich mit anderen Insektengruppen sehr niedrige Wert deutet auf sehr große Erfassungslücken hin, die dadurch erklärbar sind, dass mit Borkum lediglich eine Insel im Hinblick auf die Brackwespenfauna ansatzweise untersucht wurde. Aber auch die auf dieser Insel festgestellten 99 Arten sind sicherlich nur ein geringer Teil der dort tatsächlich vorkommenden Arten. Hierbei dürfte vor allem eine wesentliche Rolle spielen, dass weder O. Schneider noch F. oder R. Struve Hymenopteren-Spezialisten waren. Sie dürften nur einen ihrer Meinung nach repräsentativen Anteil der jeweiligen Fänge bzw. der Individuenmenge augenscheinlich verchiedener Arten eingesammelt und an die damaligen Spezialisten zur Determination verschickt haben.

Bei den verwandten Gruppe der Schlupfwespen (Ichneumonidae) erbrachte eine Mitte der 1980er Jahre durchgeführte intensive Erfassung auf den jungen und landschaftlich wesentlich weniger ausgereiften Inseln Memmert und Mellum eine Verdopplung der Artenzahl für die Inselkette, die vorher ebenfalls fast ausschließlich durch Sammeltätigkeiten von O. Schneider und F. und R. Struve auf Borkum erzielt wurde (HORSTMANN 2008).

Ein Vergleich mit anderen, im Hinblick auf die Inselkette gut untersuchten Arthropodengruppen, bei denen die Anteile der Inselfauna an der Gesamtfauna in Deutschland bei 20-30 % liegen (z. B. Zikaden, vgl. NIEDRINGHAUS 2008; Großschmetterlinge, vgl. KLEINEKUHLE 2008; Laufkäfer, vgl. PLAISIER & STUMPE 2008), lässt für die Brackwespen einen Artenbestand von 350-400 Arten erwarten.

Besondere Arten

Von den bislang auf der Inselkette nachgewiesenen Brackwespen sind nur wenige als spezielle Besiedler von Küstenhabitaten anzusehen:

Basierend auf einem Artikel von:

Prof. Dr. Ing. Kees van Achterberg
Dept. of Entomology,
Nationaal Natuurhistorisch Museum Naturalis
Postbus 9517
NL-2300 RA Leiden
Niederlande
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Stand: 02/2009